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Wenn der Computer zum Künstler wird

Publiziert am 15. Oktober 2020 von Matthias Zehnder

Algorithmen spielen nicht nur bei der Präsentation der Inhalte auf sozialen Netzwerken eine (undurchsichtige) Rolle. Sie werden immer häufiger schon bei der Kreation von Inhalten einbezogen. Künstliche Intelligenz kann herausfinden, wie der perfekte Musikhit aufgebaut ist, was einen Bestseller-Roman ausmacht und wie ein Film gedreht werden muss, damit er möglichst oft über Netflix gestreamt wird. In seinem Buch diskutiert Mathias Liegmal, wie der Computer heute für die Kreation von Kunst eingesetzt wird. Ein gutes Beispiel ist Netflix: Die Firma baut aus den Erfahrungen, die sie über die Vorlieben ihrer Zuschauer gesammelt hat, Drehbücher zusammen und wählt sogar Schlüsselschauspieler über den Computer aus. So ist die Serie «House of Cards» entstanden oder der Actionfilm «Bright» mit Will Smith in der Hauptrolle. Die Literaturwissenschaftler Jodie Archer und Matthew L. Jockers haben einen Algorithmus erarbeitet, mit dessen Hilfe sich erstaunlich präzise das Bestseller-Potenzial eines Romans voraussagen lässt. Das Programm analysiert dafür 28’000 verschiedene Merkmale eines Textes. Die Erkenntnisse könnten Autorinnen und Autoren dabei helfen, bessere Bücher zu schreiben und er verschaffe Verlagen ein Werkzeug, das dabei hilft, gute Bücher zu erkennen. In der Musikindustrie funktioniert das Finden von Hits mittlerweile ganz ähnlich.

Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt, dem Computer beizubringen, gleich selbst zu schreiben oder zu komponieren. Ist das wirklich möglich? Immer mehr Wissenschaftler sind davon überzeugt. Das Resultat sind Robo-Poetik, -Journalismus und -Musik. Mathias Liegmal nimmt den Leser mit auf eine atemberaubende Reise durch die Welt der Kunst generierenden Roboter. Er belässt es dabei nicht beim staunenden Aufzählen, sondern diskutiert die Ansätze für Kunst aus dem Computer kritisch. Er zeigt, was Kreativität ist, warnt vor Deep-Fakes und vor dem Mainstream. Und dann geht er noch der Frage nach, wie sich das Lesen und Musikhören in Zukunft verändern könnte. Es ist keineswegs sicher, dass künftige Menschen noch lesen müssen, ob der Computer ihnen alles vorliest – oder ob sie gleich in virtuelle Welten abtauche. Ob die Prognosen eintreffen? Das ist weniger interessant als die Berichte aus der maschinell gesteuerten Gegenwart. Das Buch sei deshalb allen ans Herz gelegt, die noch von der Freiheit der Kultur träumen.

Mathias Liegmal: Wenn der Computer zum Künstler wird. Wie Big Data und KI die Musik-, Literatur-, Kunst- und Entertainmentbranche revolutionieren. Redline Verlag, 208 Seiten, 29.90 Franken; ISBN 978-3-86881-801-7

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783868818017

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Buchtipp zum Wochenkommentar vom 9. Oktober: Die scheinheilige Aufregung über Instagram

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps samt Link auf den zugehörigen Wochenkommentar finden Sie hier:

https://www.matthiaszehnder.ch/buchtipp/