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Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten

Publiziert am 7. September 2023 von Matthias Zehnder

Axel Hacke ist bekannt für Geschichten wie «Der kleine König Dezember». Es sind Geschichten, die einem ein Lächeln auf die Lippen zaubern und ganz leicht werden lassen. Es ist kein Schenkelklopf-Humor, nicht derb, nicht laut, es ist die pure Heiterkeit. Was das ist, diese Heiterkeit, darüber hat Axel Hacke ein Buch lang nachgedacht. Das Resultat ist, nein: nicht einfach heiter, sondern klug: Anmerkungen zum Humor, dem Lachen und dem Lächeln, von Freud bis Loriot. Um es mit Peter Ustinov zu sagen: «Humor ist einfach eine komische Art, ernst zu sein.» Die Ausgangsfrage, die Hacke Denk- und Schreibapparat in Bewegung gesetzt hat: Darf man in so ernsten Zeiten wie heute heiter sein? Die kurze Antwort: Man darf nicht nur, man muss sogar. «Ein heiterer Mensch zu sein, bedeutet nicht, das Schwere zu ignorieren, sondern es in etwas Leichtes zu verwandeln», schreibt Hacke. Der Weise ist nachsichtig, «anderen gegenüber und auch sich selbst. Weil er das Verstehen wichtig findet und das Verachten nicht. Weil er sich eher im Lächeln übt als im Lachen.» Es sei vielleicht das persönlichste Buch, das er je geschrieben habe, sagt Hacke, die «Suche nach einem fast vergessenen Gemütszustand, nach einer Haltung dem Leben gegenüber, in der wir seltsam ungeübt geworden sind.» Hacke beantwortet in seinem Buch die Frage, wie es uns gelingen kann, das eigene Dasein nicht nur mit Büchern, Filmen und Musik aufzuheitern, sondern Heiterkeit aus uns selbst zu schöpfen, kurz: ein heiterer Mensch zu werden, gerade in schwierigen Zeiten.

Denn schwierig sind sie ja, unsere Zeiten. Darf man sich da mit Heiterkeit beschäftigen, «an die Wand gedrückt von Krisen, Katastrophen und all dem Kummer, der damit zusammenhängt?» Heisst es nicht, fragt sich Hacke, «diesen Ernst zu leugnen, wenn wir uns ausgerechnet jetzt die Frage nach unserer Heiterkeit stellen?» Die Frage ist dann allerdings: Gab es überhaupt je eine Zeit, in der Heiterkeit am Platz war? Und was ist das überhaupt, Heiterkeit? Das ist das Thema des Buchs.

Hacke nimmt uns mit auf einen Rundgang durch die Literatur- und Geistesgeschichte – und durch seinen Kopf. Wunderbar, seine Erinnerungen an Loriot, der einmal auf die Frage, ob die Deutschen weniger Humor hätten als andere Völker, gesagt habe: «Nein, das glaube er nicht. Sicher sei aber: Sie nähmen ihn nicht so wichtig wie andere. Vielleicht», schreibt Hacke, «ist es so mit der Heiterkeit. Fast hätte ich gesagt, man müsse sie ernst nehmen, woran man, wenn man es nicht schon wüsste, gesehen hätte, dass ich tatsächlich Deutscher bin. Ich nehme sogar die Heiterkeit ernst.»

Dieses Gefühl beschleicht den wohlgeneigten Leser in der Tat zuweilen: Hacke nimmt sein Metier ernst. Das macht er allerdings mit so wunderbarer Leichtigkeit, dass es nicht weiter stört. Belohnt wird man mit wunderbaren Gedanken. Etwa: «Vielleicht geht es darum, zu begreifen, dass der erste Mensch, über den man im Leben zu lachen versuchen sollte, man selbst ist.» Natürlich zitiert Hacke Freud, der sich in seinem zweiten Buch nach der berühmten «Traumdeutung» dem Witz widmete. Freud erzählt vom Verbrecher, der am Montag zum Galgen geführt wird und auf dem Weg dorthin sagt: «Na, die Woche fängt gut an.» Hacke meint dazu: «Der Scherz, den der Verbrecher auf dem Weg zum Galgen macht, ist nur oberflächlich betrachtet ein Witz. Vielmehr reflektiert er eine trotzige Einstellung gegen die Unbill der Realität, eine Behauptung des Ichs gegen die Zumutungen der Welt.» Genau das ist die Essenz von Humor: Es ist eine trotzige Einstellung gegen die Unbill der Welt.

Dabei geht es nicht darum, den Ernst des Lebens bloss zu überspielen oder zu verdrängen. Für Hacke ist die Heiterkeit eine «ganz bestimmte Art und Weise, dem Ernst des Lebens zu begegnen. Wir beschäftigen uns mit der komischen Art, ernst zu sein.»

«Heiterkeit», ist Hacke überzeugt, «hat etwas tief Tröstliches, vor allem, wenn sie in Verbindung mit dem Ernst des Lebens steht, wenn sie mit ihm umgeht und zeigt, wie man ihm entkommen kann.» Mit Positivdenken hat das übrigens nur insofern zu tun, als es «darum geht, sich nicht ins Negative fallen zu lassen, sondern das Gute im eigenen Leben nicht zu vergessen.» Dabei lässt sich das Heitere nicht vom Übel trennen. Wer das «Schwere in etwas Leichtes verwandeln will (ein Gedanke von Thomas Mann), dann geht das nicht ohne das Schwere. Sonst wäre alles von selbst leicht.»

Axel Hacke hat mit anderen Worten mit grossem Ernst ein wunderbar leichtes Buch über die Heiterkeit geschrieben. Als Leser folgt man dankbar seinen Assoziationen und Gedankensprüngen, seien Erinnerungen und Ausflügen in den Bücherschrank und nimmt sich, ernsthaft, vor, heiter zu sein.

Axel Hacke: Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte. DuMont, 224 Seiten, 28.90 Franken; ISBN 978-3-8321-6808-7

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783832168087

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