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Oskar Kokoschka, Jahrhundertkünstler

Publiziert am 12. Oktober 2018 von Matthias Zehnder

Diese Biografie handelt von einem Maler, der als Expressionist gilt, seinen Ausdruck aber nicht nur in Farben und Formen, sondern auch in der Sprache fand: Golden lodern die Feuer / Der Völker rings. / Über schwärzliche Klippen / Stürzt todestrunken / Die erglühende Windsbraut So beginnt das Gedicht «Die Nacht» von Georg Trakl. Geschrieben hat er es 1914 im Atelier von Oskar Kokoschka, als dieser «Die Windsbraut» malte, ein sturmwildes Selbstportrait mit seiner Geliebten Alma Mahler. Das Bild hängt heute im Kunstmuseum Basel und es ist da eines meiner Lieblingsbilder. Kokoschka gelingt es in dem Bild, sowohl den Sturm, wie auch die Geborgenheit der Liebe darzustellen. «Trakl und ich waren damals zwei Abtrünnige des bürgerlichen Lebens», erinnerte sich Kokoschka an die Zeit der Besuche von Trakl vor dem 1. Weltkrieg. Bis jetzt war der Maler Oskar Kokoschka für mich der Unergründlich-Stürmische hinter der «Windsbraut».

Die Biographie von Rüdiger Görner hat das geändert. Holzschnitthaft, kantig, berserkerhaft gar, stellt Görner uns den Kokoschka jener Zeit vor, der Kunst sich ausliefernd, dabei geradezu masslos in das Leben verliebt, von Frauen umschwärmt und von der einen, der femme fatale Wiens geradezu verschlungen. Oder, wie das Gedicht von Trakl endet: Flammen, Flüche / Und die dunklen / Spiele der Wollust, / Stürmt den Himmel / Ein versteinertes Haupt. Kokoschka war ein Jahrhundertkünstler – und das nicht nur deshalb, weil sein Leben von 1886 bis 1980 fast ein ganzes Jahrhundert umspannte. Wie Görner schreibt, spiegeln sich das Werk im Leben und das Leben im Werk des Oskar Kokoschka auf exemplarische Weise. Weniger bekannt als seine Gemälde, Holzschnitte und Zeichnungen sind die Texte, die Kokoschka geschrieben hat: seine frühen Dramen und Gedichte, seine politischen Überlegungen und seine Autobiographie. Görner lässt Kokoschka selbst ausführlich zu Wort kommen und ermöglicht es dem Leser, Bilder und Worte des Jahrhundertkünstlers zu verschränken. Sprachlich ist die Kokoschka-Biografie zuweilen etwas sperrig ausgefallen, als habe sich der Biograf vom wortreichen Expressionismus seines Objektes anstecken lassen. Vielleicht ist aber gerade deshalb das Portrait von Oskar Kokoschka so stimmig ausgefallen, dass man dieses Buch nicht nur Liebhabern der «Windsbraut» zur Lektüre empfehlen kann.

Rüdiger Görner: Oskar Kokoschka, Jahrhundertkünstler. Zsolnay, 336 Seiten, 40.90 Franken; ISBN 978-3-552-05905-4

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783552059054

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Buchtipp zum Wochenkommentar vom 12. Oktober 2018: Fünf Lebensbilder an Stelle eines Wochenkommentars

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps samt Link auf den zugehörigen Wochenkommentar finden Sie hier:

https://www.matthiaszehnder.ch/category/buchtipp/