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Max Frisch: «Wie Sie mir auf den Leib rücken!» Interviews und Gespräche

Publiziert am 2. Mai 2017 von Matthias Zehnder

Max Frisch hat Interviews gehasst. Das vorstrukturierte Spiel aus Frage und Antwort war ihm zuwider. Lieber führte er Gespräche mit gleicher Rollenverteilung und offenem Ausgang und Verlauf. Die Interviews, die er trotzdem gegeben hat, sind deshalb keine vorgespurten Frage-Antwort-Routinen, sondern, eben: Gespräche. Den Unterschied bezeichnete er so: Interviews wollen Informationen beschaffen, Gespräche wollen Erkenntnisse befördern.

Buchtipp WochenkommentarDieser Band versammelt Interviews mit Max Frisch, die verstreut über die halbe Zeitungswelt erschienen sind, wenn überhaupt. Sie sind sorgfältig ediert, wenn möglich stützen sie sich auf die Textfassung, die Frisch korrigiert und freigegeben hat. Der erste Text im Buch stammt aus dem Jahr 1934, der letzte von 1991. Dazwischen entfalten die Gespräche das ganze Panorama von Frischs Schaffen und Denken: Stiller, Biedermann, Homo Faber, Andorra, die Suche nach der eigenen Identität, die Auseinandersetzung mit der Schweiz. Ganz wunderbar ist ein Werkstattgespräch mit Horst Bienek, in dem Frisch Einblick gibt in seine Arbeitsweise. Tiefe Einblicke in die inneren Zusammenhänge von Frischs Schaffen gibt ein Gespräch mit Dieter E. Zimmer über das Stück Biografie und Frischs grosses Thema der Selbstwahl das er auch in Stiller, Mein Name sei Gantenbein und anderen Texten bearbeitete und variierte. Spannend eine Diskussion mit Evangelische Kommentare über die Fragebogen. Poetisch ein Gespräch mit Georges Waser über markante Sätze. Wobei: Markant sind bei Frisch viele Sätze in diesen Interviews. Es ist eine Sprache, die einen immer wieder packt: präzis, knapp, wie gemeisselt. Sätze wie dieser: Wir haben die Sprache, um stumm zu werden. In diesem Buch spricht er noch einmal, grand old Max Frisch. Unbedingt Lesen!

Max Frisch: «Wie Sie mir auf den Leib rücken!» Interviews und Gespräche. Herausgegeben von Thomas Strässle. Suhrkamp, 237 Seiten, 29.90 Franken;
ISBN 978-3-518-42584-8

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