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Lovely Planet

Publiziert am 20. Juni 2022 von Matthias Zehnder

Seit die meisten Länder ihre Covid-Restriktionen aufgehoben haben, gibt es kein Halten mehr: Das Reisefieber hat die Menschen gepackt. Das Resultat sind Rekordstaus am Gotthard, ausgebuchte Flüge und Hotels. Die Menschheit reist, als gäbe es keine Klimakrise. «Es scheint fast, als hätten unser Herz, unser Verstand, unsere Menschlichkeit und unser Umweltbewusstsein im Gepäck keinen Platz», schreibt Maria Kapeller in ihrem Buch, das sie in Anlehnung an die beliebte «Lonley Planet»-Reiseführer «Lovely Planet» betitelt hat. Denn in den allermeisten Fällen ist Reisen auch Konsum, zugemüllte Strände, Vielfliegerei, das Erfüllen von Klischees und das Buhlen um Status auf den Sozialen Medien. Das Resultat ist eine  überlastete, überforderte, überanstrengte Welt. «Wir müssen das Reisen nicht abschaffen, aber uns bewusst machen, wie es anders gehen könnte – und uns Schritt für Schritt auf diesem neuen Weg bewegen.» In ihrem Buch zeigt sie, wie das konkret funktionieren könnte.

Reisen ist zum Konsumgut geworden. Das gilt auch für einst als alternativ angesehene Reiseformen. «Im Endeffekt geben wir Geld aus und bekommen dafür eine Leistung. Egal, ob eine Woche Pauschalurlaub auf Mallorca oder eine Safari in Südafrika», schreibt Maria Kapeller. Egal, ob wir nun fotowütige Asiatinnen und Asiaten sind oder um Anerkennung heischende Europäerinnen und Europäer: Wir wählen die Reisen wie Waren aus einem Regal, gehen damit zur Kasse und bezahlen. Wir kaufen uns Ansehen, Status und Prestige. Eingelöst wird die «Ware» auf Instagram mit Urlaubsbildern, die ihrerseits den Konsum weiter ankurbeln.  

«Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet», sagt Hans Magnus Enzensberger. Viele Reiseziele werden heute von Menschen aus aller Welt regelrecht gestürmt, was Probleme wie Umweltzerstörung, Lärmbelästigung oder überteuerte Preise mit sich bringt. Die Folge ist «Übertourismus», eine zerstörerische Form von Massentourismus. Allerdings ist Übertourismus nur die extremste Form der Zerstörung. Maria Kapeller zeigt in ihrem Buch, dass nicht nur der verachtete Massentourismus schlecht ist für den Planeten, sondern auch gehobenes Reisen. Ein wichtiger Punkt ist dabei der Ressourcenverbrauch, etwa durch das Fliegen. Ein weiteres Problem ist die soziale Ungerechtigkeit, die das (für uns problemlos bezahlbare) Reisen erst ermöglicht. 

Maria Kapeller ist deshalb überzeugt, dass wir genauer hinschauen müssen, wenn wir unseren Planeten, die Natur und die verschiedenen Kulturen erhalten wollen. Sie fragt sich deshalb, wie Reisen in Zukunft aussehen könnte. Sie zeigt im Buch. Was wir mit unserer bisherigen Art zu reisen erreicht und was wir damit angerichtet haben. Hat es uns tatsächlich erfüllt? Und, vor allem: Was wollen und können wir künftig besser machen?

Jedes Kapitel startet mit einer kurzen Erzählung oder Reisegeschichte, es folgen kritische Betrachtungen, mögliche Erklärungen und Lösungsansätze. Ihr Buch ist eine Einladung zu erkennen, dass wir mit unserer Art zu reisen die Welt zerstören. Wir können entweder weitermachen wie bisher, «oder wir blicken ehrlich auf dieses grosse Sehnsuchtsthema und übernehmen Verantwortung». Sie ist überzeugt, dass wir deswegen das Reisen nicht abschaffen müssen. Wir müssen uns aber «bewusst machen, wie es anders gehen könnte – und uns Schritt für Schritt auf diesem neuen Weg bewegen.» Immer nur zu Hause zu bleiben sei auch keine Lösung. «Wir können zum Reisen einen anderen Zugang entwickeln, weg von Traumdestinationen, Statuswünschen, Klischees und Exotismen.» Sie zeigt in Ihrem Buch was Reisen als Gespräch auf Augenhöhe sein könnte, Reisen als interessiertes Eintauchen in andere Lebensrealitäten, Reisen in die Stille der Meditation oder Reisen als Begegnung mit uns selbst. Sie ist überzeugt: «Reisen muss nicht sozial und ökologisch schädlich sein.» Dem Reisen eine neue Qualität zu verleihen, die weniger vom Konsum- und Wachstumsgedanken getrieben ist und mehr von Zufriedenheit, Genügsamkeit und Entschleunigung geleitet, das sei «kein Verzicht, sondern ein Gewinn für uns alle und die Welt, in der wir leben».

Maria Kapeller: Lovely Planet. Mit dem Herzen reisen und die Welt bewahren. Verlag Kremayr & Scheriau, 224 Seiten, 33.50 Franken; ISBN 978-3-218-01224-9

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783218012249

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