Buchtipp

Nächster Tipp: Ich glaube, ich hatte es schon
Letzter Tipp: Lockdown

Keine Regeln

Publiziert am 3. November 2020 von Matthias Zehnder

Regeln sind dieser Tage omnipräsent: Maske tragen, Hände nicht schütteln, Hygieneregeln befolgen. Kein Wunder, zieht ein Buch, das den Titel «Keine Regeln» trägt, Aufmerksamkeit auf sich. Geschrieben haben es Netflix-Gründer und -Chef Reed Hastings und Erin Meyer, Professorin am INSEAD in Paris und Spezialistin für Cross-Cultural Management. Thema des Buchs sind die Regeln, die bei Netflix gelten und die Netflix so erfolgreich machen. Denn Netflix ist anders. Die Firma hat eine Kultur, in der nur eine Regel gilt: keine Regeln. Ziel der Firma war es, eine von Freiheit und Verantwortung geprägte Kultur zu errichten und die MitarbeiterInnen, wie es eine Zeitung schrieb, «wie Erwachsene» zu behandeln. Doch ganz so einfach ist das nicht.

Denn Netflix ist von den USA über Dänemark bis Japan in kulturell extrem unterschiedlichen Ländern aktiv. Entsprechend unterschiedlich fallen in den vielen Ländern die Reaktionen auf die «Keine Regeln»-Regel aus. Reed Hastings hatte deshalb mit Interesse «Die Culture Map» gelesen, ein Buch von Erin Meyer, in dem sie beschreibt, wie stark unterschiedliche Kulturen die Länder der Welt prägen und wie sich diese kulturellen Differenzen überwinden lassen. Reed Hastings verschaffte Meyer Zutritt zu den MitarbeiterInnen von Netflix. Meyer führte über 200 Interviews und machte sich ein Bild darüber, wie Netflix mit den vielen verschiedenen Kulturen auf der Welt zurecht kam.

Und das geht auch bei Netflix nicht ohne Regeln. Da ist zum Beispiel die informelle Regel, dass bei Netflix keine Sitzung länger dauert als 30 Minuten. «Wir sind überzeugt», schreibt Reed Hastings, «dass die meisten Themen einschliesslich der wichtigen in einem Zeitraum von einer halben Stunde abgehandelt werden können.» Bevor er sich mit Meyer und den kulturellen Differenzen beschäftigte, war Hastings überzeugt, dass es Zeitverschwendung sei, Zeit mit Dingen zu verbringen, die nichts mit der Arbeit zu tun hatten. «Es ging uns um Effizienz und Geschwindigkeit, nicht darum, bei einer Tasse Kaffee zu plaudern», erzählt Hastings. «Aber als wir immer mehr Mitarbeiter aus allen Teilen der Welt einstellten, wurde uns klar, dass unsere Fixierung darauf, jede Minute in die Arbeit zu investieren, in mehrerlei Hinsicht schädlich für uns war.» Hastings lernt den Wert von Mittagessen, Plaudern an der Kaffeemaschine und einem persönlichen Austausch an Sitzungen kennen.

Gerade da, wo die kulturellen Unterschiede gross sind, braucht es zudem klare Anweisungen. Spannend ist etwa das Kapitel über Feedback. Amerikaner sind sich gewohnt, klar zu kritisieren, sie geben aber dabei gerne auch positives Feedback. Die Holländer nehmen auch bei negativem Feedback kein Blatt vor den Mund und werden von den Amerikanern manchmal als destruktiv erlebt. Und die Japaner geben höchstens indirekt und zwischen den Zeilen Feedback. Es sei denn, sie hätten eine klare Aufgabe. Es sind diese Abschnitte, welche die Lektüre des Buchs nicht nur interessant machen, sondern auch nützlich – vielleicht gerade in der Coronakrise.

Reed Hastings, Erin Meyer: Keine Regeln. Warum Netflix so erfolgreich ist. Econ, 400 Seiten, 37.90 Franken; ISBN 978-3-430-21023-2

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783430210232

Wenn Sie das Buch lieber digital für Ihren Amazon Kindle beziehen möchten, klicken Sie hier: https://amzn.to/3jTfRgR

Buchtipp zum Wochenkommentar vom 30. Oktober 2020: Bruchstellen in der Gesellschaft

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps samt Link auf den zugehörigen Wochenkommentar finden Sie hier:

https://www.matthiaszehnder.ch/buchtipp/