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Kamala Harris

Publiziert am 1. Februar 2021 von Matthias Zehnder

Sie ist die erste Frau in ihrem Amt, die erste Afroamerikanerin und die erste Amerikanerin asiatischer Abstammung: Die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris ist jetzt schon eine historische Figur. Für einmal ist deshalb das Interesse von Biografen an einem amerikanischen Politiker durchaus gerechtfertigt: Wer ist diese Frau, die es (fast) geschafft hat, die berühmte Glasdecke zu durchstossen? Journalist Dan Morain kennt Kamala Harris schon lange. In seiner Biografie beschreibt er den Weg von Kamala ins Oval Office. Das Resultat ist keine kritische Biografie, aber informativ und durchaus erhellend. Er beschreibt, wie Kamala Harris 1964 in Kalifornien als Tochter von Einwanderern geboren wurde. Ihre Mutter, Shyamala Gopalan, war aus Indien in die USA gekommen, um da Endokrinologie zu studieren. Sie wurde eine bekannte Brustkrebsforscherin. Ihr Vater, Donald J. Harris, war aus Jamaica in die USA gekommen, um in Berkeley Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Er unterrichtete in Stanford Entwicklungsökonomie. Ihre Eltern haben sich an einer Protestveranstaltung der Uni kennen gelernt. Kamala Harris ist also wörtlich ein Kind der 68er… Dan Morain bettet das Leben von Kamala Harris ein in die amerikanische Geschichte und streift dabei auch eine Reihe innenpolitischer Probleme, die das Leben von Kamala beeinflusst haben. «Busing» zum Beispiel, das Transportieren von weissen Kindern an schwarze Schulen und umgekehrt. Joe Biden hatte sich dagegen gewehrt, Klein-Kamala hatte davon profitiert. Er erzählt aber auch, wie Kamala dank geschickter Karriereplanung (und den richtigen Freunden) es zur Bezirksstaatsanwältin in San Francisco und dann zum Attorney General von Kalifornien brachte und als erst zweite Afroamerikanerin in den Senat gewählt wurde. Eine solche Karriere schafft niemand ohne Freunde mit viel Geld. Ein Europa würde man diese Verquickung wohl kritisch unter die Lupe nehmen. Dan Morain erzählt es eher als Erfolgsgeschichte. Trotzdem: Wer das Buch gelesen hat, weiss danach (zumindest besser), wer Kamala Harris ist, dass ihre indischen und jamaikanischen Wurzeln sie prägen und warum sie wohl nicht so links politisieren wird, wie viele europäischen Beobachter denken.

Die wichtigste Bezugsperson in ihrem Leben ist, auch nach deren Tod, ihre Mutter. Morain schreibt, es vergehe kein Tag, an dem sich Kamala Harris nicht an Shyamala Gopalan Harris erinnere, die im Jahr 2009 verstarb. Sie wiederholt gerne Sätze ihrer Mutter wie «In vielen Dingen bist du vielleicht die Erste, aber sorge dafür, dass du nie die Letzte bist.» In bedeutenden Augenblicken ihres Lebens kommen ihr manchmal die Tränen, wenn sie an ihre Mutter denkt, und sie wünscht sich ganz offensichtlich, sie an ihrer Seite zu haben. Eine andere wichtige Bezugsperson war und ist Barack Obama. Die beiden haben sich schon 2004 kennengelernt, als Barack noch für die South Side of Chicago im Senat von Illinois sass, bei einer kleinen Kanzlei arbeitete und an der University of Chicago Verfassungsrecht lehrte. Beide galten sie als Vertreter des neuen Gesichts der Demokraten, wenn nicht der USA. Die Zeitschrift Ebony zählte beide im Mai 2006 zu den 100 einflussreichsten schwarzen Amerikanerinnen und Amerikanern. Die Hierarchie war übrigens klar: Kamala Harris stand auf Platz 5, Barack Obama auf Platz 67. Das hat sich rasch gedreht. Doch jetzt hat Kamala Harris aufgeschlossen: Sie gehört ohne Zweifel zu den wichtigsten Politikerinnen der Welt und spielt an der Seite des ältesten US-Präsidenten aller Zeiten eine wichtigere Rolle als die meisten Vizepräsidenten vor ihr. Joe Biden sagt, er sehe sich als Bindeglied zwischen der älteren Generation von Demokraten und der neuen. Kamala Harris steht definitiv für das, was kommen wird. Das Buch hilft dabei , zu verstehen, was das sein wird. 

Dan Morain, Kamala Harris. Die Biografie. Heyne, 384 Seiten, 31.90 Franken; ISBN 978-3-453-21824-6

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783453218246

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Buchtipp zum Wochenkommentar vom 29. Januar 2021: Das Ende der Geschichte

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps samt Link auf den zugehörigen Wochenkommentar finden Sie hier:

https://www.matthiaszehnder.ch/buchtipp/