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Game Over

Publiziert am 14. Dezember 2018 von Matthias Zehnder

Vor rund 20 Jahren haben Harald Schumann und Hans-Peter Martin in «Die Globalisierungsfalle» vor dem Angriff auf Demokratie und Wohlstand durch die Globalisierung gewarnt. Das Buch erwies sich in vielem weniger als Warnung, denn als Prognose. In seinem neuen Buch sagt Hans-Peter Martin «Game Over»: Das Spiel ist vorbei, für den Westen, für unser Zivilisationsmodell, für die liberale Demokratie. Es hat sich gezeigt, dass der Kapitalismus auch ohne Demokratie und ohne Einhaltung liberaler Menschenrechte funktioniert. Nicht der freie Westen ist der Sieger des Kalten Kriegs, sondern die Volksrepublik China mit ihrer Version eines autoritären Kapitalismus. Hans-Peter Martin ist hart in seinem Urteil: Er sagt, Hyperglobalisierung und Digitalisierung, Börsenkrachs, Klimawandel und Massenmigration hätten gleich alle vier Säulen der Demokratie eingedrückt. Weltweit herrscht eine unhaltbare wirtschaftliche Ungleichheit. Liberale Demokratien ohne stabiles soziales Fundament erweisen sich als Fehlkonstruktion. Die Unsicherheiten führen zur Flucht in nationalen Chauvinismus und Autoritarismus. Das ist kein Zukunftsszenario, schreibt Martin. Es geschieht jetzt. Der Trumpismus – auch ohne Trump – wird nicht kommen, er ist da. Die Wohnungen werden nicht unbezahlbar werden, sie sind es. In vielen EU-Staaten droht nicht die Wahl rechtsnationaler Regierungen, sie sind bereits an der Macht. Hans-Peter Martin fordert deshalb: Aufwachen!

Hans-Peter Martin beschreibt in seinem Buch mitreissend und gut verständlich die grossen Probleme unserer Welt. Er zeigt anhand von Zahlen, wie die Finanzkrise dazu geführt hat, dass die Reichen noch reicher und normale Menschen eher ärmer geworden sind. Auch in europäischen Ländern ist der Besitz heute extrem ungleich verteilt. In Deutschland etwa besitzen die 45 reichsten Haushalte mehr Geld als die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung zusammen. Allein im Jahr 2017 wuchs das Vermögen der Milliardäre rund um den Erdball um 17 Prozent. In diesen Zustand der Ungleichheit platzt jetzt mit voller Wucht die Digitalisierung, die ausgerechnet jene am härtesten treffen wird, die schlecht ausgebildet sind. Das wird zu extremem Ansteigen sozialer Spannungen führen – etwa so, wie wir es im Moment in Frankreich mit den Protesten der «Gilets Jaunes» erleben.

Wir müssten alle begreifen, dass wir nicht vor enormen Veränderungen stehen, sondern mittendrin. Die Welt habe sich schon radikal verändert. Die vielfältigen Krisenherde seien miteinander verzahnt und würden den Systemcrash auslösen. Treiber sind dabei neben der extremen Ungleichheit vor allem die steigende Unsicherheit, welche die Handelsstreitigkeiten, die Unruhe an den Finanzmärkten und die Digitalisierung auslösen. Dazu kommen Klimawandel, Demografie, Migration und die neue Kriegslust der autoritären Kräfte.

Martin plädiert deshalb dafür, nicht gerade den Kapitalismus, aber immerhin den Neoliberalismus zu überwinden. Er habe vielen wenig und ganz wenigen ganz viel gebracht und sei nicht nachhaltig. Das Problem dabei: Die Politik hinkt gefährlich hinterher. Die politische Mitte müsse handeln und zur sozialen Marktwirtschaft zurückfinden. Spannend, aufrüttelnd, eindrücklich.

Hans-Peter Martin: Game Over. Wohlstand für wenige, Demokratie für niemand, Nationalismus für alle – und dann? Penguin Verlag München, 384 Seiten, 34.90 Franken; ISBN 978-3-328-60023-7

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Buchtipp zum Wochenkommentar vom 14. Dezember 2018: Wie uns die Mitte abhanden kam

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps samt Link auf den zugehörigen Wochenkommentar finden Sie hier:

https://www.matthiaszehnder.ch/category/buchtipp/