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Feuer der Freiheit

Publiziert am 25. September 2020 von Matthias Zehnder

1933 wird es dunkel in Europa: Die Nationalsozialisten übernehmen die Macht, bestimmen das Denken und beseitigen die Freiheit. In seinem neuen Buch beschreibt Wolfram Eilenberger, was das für die Philosophie und insbesondere für das Denken von vier aussergewöhnlichen Frauen bedeutet. Er schildert die Lebenswege von Simone de Beauvoir, Hannah Arendt, Simone Weil und Ayn Rand.

Simone de Beauvoir (1908–1986) ist die Existentielle. Sie wurde mit ihrem Buch «Das andere Geschlecht» (1949)  zur globalen Leitgestalt des Feminismus und zur Ikone eines wahrhaft emanzipierten Daseins. Gemeinsam mit ihrem Lebens- und Denk-Partner Jean-Paul Sartre ist Simone de Beauvoir zudem eine der Begründerinnen des  französischen Existentialismus. Bereits in den 1930er Jahren prägte sie dessen Freiheitsverständnis.

Ayn Rand (1905–1982) ist weniger bekannt als Simone de Beauvoir. Wolfram Eilenberger bezeichnet sie als die Radikale. Rand wurde als Alissa Rosenbaum in St. Petersburg geboren. 1926 emigrierte sie in die USA. Heute gilt sie als eine der einflussreichsten politischen Stimmen des 20. Jahrhunderts. Ab den 1940er Jahren wurde sie für ihre Romane verehrt, insbesondere für «The Fountainhead» («Die Quelle») und «Atlas Shrugged» («Der Streik»). Allein in den USA erreichten ihre Bücher eine Gesamtauflage von über zwanzig Millionen. Mit ihrem radikal freiheitsbetonten und elitär-individualistischen Ansatz gilt sie als eine der Gründungsfiguren der libertären Bewegung und Vordenkerin des heutigen Silicon Valley-Denkens.

Hannah Arendt (1906–1975) ist uns vor allem ihrer Arbeiten über das Böse wegen bekannt. Wolfram Eilenberger bezeichnet sie als «die Streitbare», weil sie ihr Leben lang unerbittlich politisch Stellung bezog und sich damit nicht nur Freunde machte. Mit ihrem Hauptwerk «Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft» wurde sie Anfang der 1950er Jahre öffentlich bekannt. Schon vorher hatte sie grossen Einfluss auf die Philosophie – und die Philosophen. Sie studierte in den 1920er Jahren bei Martin Heidegger und Karl Jaspers, floh als Jüdin 1933 von Berlin nach Paris und emigrierte 1941 schliesslich nach New York. Von dort entfaltete Arendt ein publizistisches Wirken, das die politische Theorie wie Philosophie bis heute tief prägt.

Als «die Erleuchtete» bezeichnet Wolfram Eilenberger Simone Weil (1909–1943). Albert Camus bezeichnete sie sogar als «der einzig wirklich grosse Geist unserer Zeit». Simone Weil studierte gemeinsam mit Simone de Beauvoir und war in den 1930er Jahren vor allem als Publizistin und Gewerkschaftsaktivistin tätig. Sie hat ein monumentales Werk hinterlassen. Immer wieder kritisierte sie die totalitären Strukturen. Während des Zweiten Weltkriegs war Weil in der Flüchtlingshilfe und dem Widerstand des «Freien Frankreichs» unter Charles de Gaulle aktiv. Sie starb 1943 in England den Hungertod.

Die vier Frauen sind laut Wolfram Eilenberger die einflussreichsten Philosophinnen des 20. Jahrhunderts. Während es um sie herum Nacht wird in Europa legen sie das gedankliche Fundament für eine wahrhaft freie, emanzipierte Gesellschaft. Sie entwickeln visionären Ideen zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, von Mann und Frau, von Sex und Gender, von Freiheit und Totalitarismus, von Gott und Mensch. Sie erleben dabei abenteuerliche Geschichten, die spannend zu lesen sind. Wirklich umwerfend sind aber ihre Gedanken – und ihre gelebte Philosophie als Geflüchtete, Aktivistinnen und Widerstandskämpferinnen. Ein spannendes Buch über vier wunderbare Frauen, die uns zeigen, was es heisst, ein freies Leben zu führen.

Wolfram Eilenberger: Feuer der Freiheit. Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten 1933–1943. Klett-Cotta, 400 Seiten, 36.90 Franken; ISBN 978-3-608-96460-8

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Buchtipp zum Wochenkommentar vom 25. September 2020: Regt Euch ab!

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps samt Link auf den zugehörigen Wochenkommentar finden Sie hier:

https://www.matthiaszehnder.ch/buchtipp/