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Dummheit

Publiziert am 9. Dezember 2021 von Matthias Zehnder

Nur dumme Menschen halten sich selbst für klug. Wer aber über Dummheit sprechen will, muss von sich voraussetzen, dass er nicht dumm ist. Ein Buch über Dummheit ist also ein paradoxes Unterfangen. Heidi Kastner spricht das zu Beginn ihres Buches an und verspricht, keine Lösungsansätze zu liefern. Ein bemerkenswerter Vorsatz für ein Sachbuch. Schon auf den ersten Seiten zeigt sie, dass Dummheit keine Frage der Intelligenz ist. Sie schliesst sich Forrest Gump aus dem gleichnamigen Film an: «Dumm ist, wer Dummes tut.» Und das machen manchmal auch Menschen, denen es nicht an Intelligenz gebricht, aus ganz banalen, alltäglichen Beweggründen wie Gier, Wichtigtuerei oder der Unwilligkeit, Grenzen zu akzeptieren. 

Kastner sagt, Dummheit basiere auf mehreren Faktoren. Die unwesentlichste sei der Mangel an jenen Fähigkeiten, die mit einem Intelligenztest abgefragt werden. Viel wichtiger sei der Unwille, aus Erfahrungen zu lernen, also Wahrnehmungen und Erlebnisse kritisch zu analysieren und Schlussfolgerungen zu ziehen – auch über die eigene Rolle dabei. Das Resultat nennt Kastner «unwissende Besserwisserei» die sich zur «ignoranten Ignoranz» steigern kann. Es erstaune sie immer wieder, dass Menschen, die «für die Reparatur einer Waschmaschine mit grösster Selbstverständlichkeit einen Fachmann rufen würden», zu deutlich komplexeren Themen nur so sprudeln vor Gewissheiten. Besonders schlimm sei das in der Medizin – das erleben wir ja derzeit tagtäglich in der Corona-Pandemie. 

Ein weiterer, laut Kastner «schier unerschöpflicher Quell von Dummheit» ist die Denkfaulheit, also die «Faulheit, die eigene Entscheidungsgrundlage über die Beschaffung von Fakten zu erweitern. Dazu kommen, gerade in der Corona-Pandemie auffällig, die Faktenverweigerer, die Ignoranten und die Verschwörungstheoretiker. Wohlverstanden: Kastner führt die da nicht auf, weil sie sich den Fakten in der Coronakrise verweigern, sondern weil in jeder Beziehung zu Dummheit (also dummem Handeln) neigt, wer sich den Fakten verweigert. Neben dieser sachlich-intellektuellen Dummheit gibt es aber noch eine weitere Dummheit. Kastner nennt sie «Gefühlsdummheit». Und die kann die gescheitesten Menschen treffen. Vielmehr: Gerade Menschen, deren Kopf voll kalter Logik ist, neigen dazu, in der Interaktion mit anderen Menschen zu versagen. Der amerikanische Psychologe Daniel Goleman spricht in diesem Zusammenhang der emotionalen Intelligenz. Kastner möchte lieber von emotionaler Kompetenz reden. Dazu gehört zuallererst die Fähigkeit, die eigenen Gefühle zu erkennen, zu reflektieren und gegebenenfalls zu kontrollieren. Dann erst kommt die Empathie ins Spiel, also die Fähigkeit, zu erkennen und zu empfinden, welche Gefühle andere Menschen haben.

Das Buch von Heidi Kastner liest sich flott und flüssig. Die psychologische Einordnung des Faktenverweigerns von Coronaleugnern ist wohltuend, ja manchmal geradezu unterhaltend. Das Buch ist deshalb, leider muss man sagen, nicht nur lesenswert, sondern auch aktuell.

Heidi Kastner: Dummheit. Verlag Kremayr & Scheriau, 128 Seiten, 26.90 Franken; ISBN 978-3-218-01288-1

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783218012881

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