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Dumm gegessen

Publiziert am 16. September 2021 von Matthias Zehnder

Die Menschen werden dümmer: Die Intelligenz nimmt ab, die geistige Leistungsfähigkeit geht zurück, das Denkvermögen lässt nach, die Hirnmasse schwindet. Damit kehrt sich ein Trend um, der lange angehalten hat. Dazu kommen Krankheiten wie Demenz, Alzheimer und Parkinson. Ein Grund dafür, dass die Welt verdummt: Die Menschheit isst sich um den Verstand. Das sagt Nahrungskritiker Hans-Ulrich Grimm in seinem neuen Buch. Schuld ist unsere Ernährung. Da ist zum einen die moderne, industrielle Ernährungsweise, all die Fast-Food-Gerichte und die prozessierte Nahrung, schuld sind aber auch neue Trends wie Vegetarismus und Veganismus. Und ganz besonders ein massives Zuviel an Zucker. Grimm zeigt detailliert anhand aktueller Forschungsresultate, wie Bauch und Kopf zusammenhängen und welche Schäden industrielle Ernährung und Chemie im Gehirn anrichten. 

Das Gehirn ist ein ganz spezielles Organ. Obwohl es nur zwei Prozent des Körpergewichts ausmacht, verbraucht es 20 Prozent der gesamten Energie. Dabei ist es für die Erzeugung von Ideen, Gedanken und Gefühlen auf hochwertigen Stoff angewiesen. «Bisher wurde dieser materielle Aspekt der Geistestätigkeit, der Intelligenz, des Denkvermögens sträflich vernachlässigt», schreibt Hans-Ulrich Grimm. Zwar beschäftigen sich Wissenschaftler seit langem mit neurologischen und psychologischen Vorgängen, sie hätten dabei aber übersehen, dass«diese physiologischen Vorgänge auf einer materiellen Grundlage stehen, dass sie Substanzen benötigen, um optimal funktionieren zu können». Das holt die Wissenschaft jetzt nach und ist zu einem beunruhigenden Befund gekommen: «Es fehlt in zunehmendem Mass an angemessenem Material, um das Denkniveau aufrechtzuerhalten.» Die Nahrung, schreibt Grimm, die den nötigen Treibstoff, die unerlässlichen Substanzen liefern müsse, habe «nicht mehr die erforderliche Qualität, um den Denkapparat auf dem bisherigen Leistungslevel zu betreiben.» Kurz: Unserem Gehirn droht der Sprit auszugehen. 

Das ist eine neue Situation. Denn über Jahrtausende ist der Hirn-Treibstoff immer besser geworden. Entsprechend hat das Hirn an Grösse und an Leistung zugelegt. Noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hat sich die Intelligenz immer weiter verbessert: Der Intelligenzquotient (IQ) ist kontinuierlich gestiegen, jedes Jahr um 0,3 Prozentpunkte, alle zehn Jahre um drei IQ-Punkte. Doch wenn der Treibstoff (also unsere Nahrung) nicht mehr «super» ist, dann kommt die Entwicklung zum Stillstand, ja: sie kehrt sich um. Einer der Ersten, die darauf aufmerksam gemacht haben, war Michael Crawford, Professor am Imperial College in London und Direktor des Instituts für Gehirnchemie und menschliche Ernährung. «Er hatte früh darauf hingewiesen, dass die Entwicklung zu kippen droht, als sich die Anzeichen mehrten, dass der Zenit überschritten ist, dass es schon wieder abwärts geht mit der Geistesleistung und sogar mit dem Gehirnvolumen», schreibt Grimm. Ganz unterschiedliche Studien kommen zum Schluss, dass der IQ bis etwa 1990 zugenommen hat, dann kehrte sich die Entwicklung um. Seither wir die Menschheit dümmer und hat auch immer häufiger mit emotionalen und psychischen Problemen zu kämpfen.

Der Grund: Die Menschen drehen dem Gehirn den Saft ab. Schuld ist die Industrialisierung der Nachrungsmittelproduktion und der Boom der vorfabrizierten Ernährung. «Detailliert weisen die Wissenschaftler, die sich mit der Energieversorgung des Denkapparats beschäftigen, auf die Problemzonen hin: Es fehlt an hirnwichtigen Nährstoffen, dafür gibt es eine Flut neuer Schadstoffe, Chemikalien, Zusatzstoffe und auch mehr Zucker, mehr Salz und dazu völlig neuartige Problemstoffe, die durch die industrielle Produktion überhaupt erst entstehen», schreibt Grimm. Das industrielle Ernährungssystem hat eine Mangelsituation für das Denkorgan geschaffen, die seine Aktionsfähigkeit bedroht.

Grimm kritisiert, dass in einem durchschnittlichen Supermarkt «nur in einem kleinen Bereich Waren angeboten werden, die noch relativ nah am evolutionär Adäquaten liegen: Äpfel, Karotten, Kartoffeln, Bananen, Orangen, Papayas, Kiwis.» Der grosse Rest der übrigen Regale beinhaltet knallbunte Packungen, «die Inhalte monatelang, sogar über Jahre haltbar, vor allem in der Zone für die Jüngsten, die Säuglinge, Babys, Kinder, in der es rein gar nichts mehr gibt, was irgendwo gewachsen wäre.» Säfte, Süssgetränke, Zuckerzeug überall, Schachteln, Kartons, Plastik, Chemie. «Ultraverarbeitete Nahrung» nennen das die Wissenschaftler – in der Verarbeitung steckt zwar Hirnleistung von Ingenieuren, aber nichts, war gut ist für unser Gehirn. Neue Forschungsdisziplinen beschäftigen sich mit der Thematik, zum Beispiel die Hirnernährungswissenschaft (Nutritional Neuroscience) mit der Ernährung des Gehirns ganz generell oder die Ernährungspsychiatrie (Nutritional Psychiatry) mit den Folgen der Nahrung für die Psyche, das Verhalten und den Charakter. In seinem Buch fasst Hans-Ulrich Grimm deren Erkenntnisse gut verständlich zusammen. Er zeigt den Zusammenhang zwischen Alzheimer und falscher Nahrung, erklärt, die die Nahrung aus dem Supermarkt zu Schwermut führen kann, wenn es an Gute-Laune-Nährstoffen aus der Natur fehlt und spekuliert über die «Chemie der Aggression», also den Zusammenhang zwischen industrieller Ernährung und Gewaltkriminalität. Grimm erklärt, warum das Denken im Bauch beginnt und wie die Industrie zum Beispiel mit dem Einsatz von Glutamat zum Hirnschädling wird. Ein ganzes Kapitel widmet er der «Volksdroge Zucker» und seinen Folgen fürs Gehirn (grimm bezeichnet Zucker als «Hirnkiller Nr. 1). 

Die Rettung sieht Grimm in «echter» Ernährung: also in selbst gekochten Mahlzeiten aus richtigen zutaten. Zum Beispiel: eine schmackhafte Hühnersuppe. Ein spannendes Buch, das im wahrsten Sinn des Wortes zu denken gibt.

Hans-Ulrich Grimm: Dumm gegessen! Wie uns die Nahrungsindustrie um den Verstand bringt. Droemer/Knaur, 288 Seiten, 29.90 Franken; ISBN 978-3-426-27799-7

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783426277997

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