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Die infantile Gesellschaft

Publiziert am 21. September 2020 von Matthias Zehnder

Coronakrise, Klimaerwärmung – wir leben wahrlich in ernsten Zeiten. Und doch neigt unsere Gesellschaft immer mehr zum Infantilen. Alexander Kissler geht in diesem Buch der infantilen Gesellschaft auf den Grund. «Sinnvolles Leben, sinnvolle Politik sind kaum möglich, wenn das Unreife zum Leitbild erhoben wird», schreibt er. Dabei geht es nicht etwa um die Abschaffung des Kindlichen. Kinder verhalten sich sehr zurecht kindlich. Es geht um Erwachsene, die sich kindisch verhalten. Das seien «Erwachsene im Stand selbstverschuldeter Unreife», schreibt Kissler, ein inszenierter Rückfall in eine abgelebte Zeit. Infantilität sei «ein einziges grosses So-tun-als-ob. Unernst ist es dem Sinn nach, bitterernst wird es ausgeführt.»

Das Kindische also geift um sich. Erwachsene sind auf dem Elektro-Trottinet unterwegs und kommunizieren mit Emojis – wie kleine Kinder. Am gravierendsten sei die Infantilisierung in der Politik, schreibt Kissler: «Auch dort triumphiert die Anrede im Kumpelton. Des Argumentierens müde oder unkundig, greifen immer mehr Politiker zum direkten Gefühlsappell. Gut sei, was das Wohlbefinden steigert. Wahr sei, was die Emotion eingibt.» Kissler ruft deshalb die Erwachsenen dazu auf, noch einmal erwachsen zu werden. Mit seinem Buch will er, wie er schreibt, «zu diesem wunderbaren Abenteuer ermuntern».

Und wie, Herr Kissler, müssen wir uns einen erwachsenen Menschen vorstellen?

Der erwachsene Mensch, schreibt Alexander Kissler , erliege «nicht den Sirenenklängen der Industrie und den Versprechungen des Konsums, wenn diese ihn in Unmündigkeit binden wollen.» Er halte «weder die Welt für eine Ausformung des Ichs noch das Ich für einen blossen Wurmfortsatz der Welt.» Er vertauscht und vermischt nicht Ernst und Spiel und erhält sich auf diese Weise beide. «Er richtet sich nicht ein in Untergängen, denn er traut sich und anderen etwas zu.» Er wisse um die Unendlichkeit der Gefühle und die Endlichkeit des Lebens und sehe deshalb «nicht in jeder Grenze eine Kränkung». Er habe «Freude am Leben, weil er Freunde hat, aber er liefert sich nicht anderen Menschen aus».

Kurz: «Wir müssen uns den erwachsenen als einen glücklichen Menschen vorstellen.»

Interessant.

Alexander Kissler: Die infantile Gesellschaft. Wege aus der selbstverschuldeten Unreife. Harper Collins, 256 Seiten. 34.90 Franken; ISBN 978-3-7499-0014-5

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783749900145

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Buchtipp zum Wochenkommentar vom 18. September 2020: Die Medien im Offside

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps samt Link auf den zugehörigen Wochenkommentar finden Sie hier: https://www.matthiaszehnder.ch/buchtipp/