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Die grosse Illusion

Publiziert am 31. Juli 2019 von Matthias Zehnder

Als die deutschen Minister Hermann Müller und Johannes Bell am 28. Juni 1919 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles ihre Unterschrift unter den Friedensvertrag mit den Alliierten setzten, war das eine hoch symbolische politische Inszenierung, bei der nichts dem Zufall überlassen und den Besiegten nichts erspart blieb. Eckart Conze schreibt in seinem Buch, dass die düstere Szene offenbare, «dass der Krieg mit der Pariser Konferenz und dem Friedensschluss von 1919/20 nicht zu Ende ging.» Es habe damit zwar eine Demobilmachung der Truppen stattgefunden – aber keine «Demobilmachung der Geister»: Die Friedensschlüsse bauten die alten Spannungen nicht ab, sondern verlängerten sie in die Nachkriegszeit und schufen obendrein neue Konflikte. Die Welt kam nicht zur Ruhe. Grossbritannien und Frankreich, die europäischen Imperien, hatten zwar den Krieg gewonnen, ihre Imperien aber waren erschüttert. Von Indochina über Indien bis nach Irland nahmen Forderungen nach nationaler Selbstbestimmung an Stärke zu. In Ostmittel- und Südosteuropa kam es nach der Auflösung des Zarenreichs, des Habsburgerreichs sowie des Osmanischen Reichs zu einer Nationalisierung der Einzelstaaten, mit vielen kriegerischen Konflikten. In Deutschland erwies sich der Versailler-Vertrag als schwere, als zu schwere Belastung für die junge Demokratie der Weimarer Republik.

Dabei waren 1919 die Hoffnungen der ganzen Welt darauf gerichtet, dass nach dem Grossen Krieg eine stabile Ordnung geschaffen und dauerhafter Friede herrschen würde. Doch wie Eckart Conze zeigt, erwiesen sich alle Hoffnungen als gewaltige Illusion. Denn weder die alliierten Sieger noch das geschlagene Deutschland und die anderen Verlierer waren bereit, wirklich Frieden zu machen. Auf allen Seiten ging auch nach dem Waffenstillstand der Krieg in den Köpfen weiter, mit verheerenden Folgen. Versailles war letztlich ein Frieden, den keiner wollte – eben: eine grosse Illusion.

Eckart Conze: Die grosse Illusion. Versailles 1919 und die Neuordnung der Welt. Siedler, 560 Seiten, 42.90 Franken; ISBN 978-3-8275-0055-7

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783827500557

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