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Die digitale Verführung

Publiziert am 10. März 2020 von Matthias Zehnder

Bis jetzt sind wir davon ausgegangen, dass Computer, Handy und Internet uns klüger machen, weil wir jederzeit Zugriff auf Wissen haben. Erste Studien weisen jedoch darauf hin, dass die durch IQ-Tests gemessene Intelligenz abnimmt. Möglicherweise macht die Technik dumm. Das liegt am unkontrollierten und unreflektierten Gebrauch von Smartphones und der sozialen Medien, ist Ralf T. Kreutzer überzeugt. In seinem Buch über die «digitale Verführung» zeigt er, wie wir die neuen Medien bewusst und achtsam einsetzen können. Er identifiziert die Treiber der digitalen Inkompetenz und zeigt, wie es kommt, dass immer mehr Menschen die Fähigkeit zu Konzentration und Kontemplation fehlt. Es sei deshalb Zeit für eine Umkehr. Dazu benötigen wir drei Dinge: Aufbau von Medienkompetenz, eine ehrliche Selbstanalyse unseres Verhaltens – und Selbstdisziplin zur Verhaltensveränderung.

Kreutzer kritisiert, dass viele Menschen heute zwar Apps, die sozialen Medien und ihre Smart Devices «im Schlaf» bedienen können. Aber: «Ihnen fehlt aber weitgehend die Medienkompetenz, um mit der dort präsentierten Vielfalt verantwortlich umgehen zu können.» Medienkompetenz meint nicht eine simple Technologiekompetenz, sondern die Fähigkeit, die verschiedenen Medienkanäle und deren Inhalte «kompetent und vor allem kritisch zu nutzen». Für Kreutzer hat die geforderte Medienkompetenz vier Dimensionen. Da ist erstens Sachkompetenz gefordert, also Wissen über die Medien. Was unterscheidet eine Tageszeitung von einer Boulevardzeitung? Was ist Meinungspresse? Was ist der Unterschied zwischen einem öffentlich-rechtlicher Fernsehsender und einem privat finanzierten Sender? Es braucht zweitens Rezeptionskompetenz, also die Fähigkeit, die Medien kritisch zu nutzen. Wie muss eine Information eingeordnet und bewertet werden? Verfolgt ein Medium oder eine Quelle allenfalls eine «hidden Agenda»? Welche Interessen verfolgt der Anbieter der Information? Auf welche Quellen stützt sich das Medium? Drittens fordert Kreutzer Partizipationskompetenz, also die Fähigkeit, Inhalte für Medien eigenständig zu gestalten und an Kommunikationsprozessen mitzuwirken. Das soll sich nicht darauf beschränken, den «Like»-Button anzuklicken. Die Benutzerinnen und Benutzer sollen in der Lage sein, selbstständig Kommentare und Inhalte zu erzeugen. Und viertens geht es Kreutzer um die Selbstreflexionskompetenz, also die Fähigkeit, das eigene Mediennutzungsverhalten zu analysieren und zu hinterfragen. Die grösste Schwierigkeit besteht darin, dass die meisten Benutzerinnen und Benutzer das Internet wie ein orales Medium nutzen, also mit den Regeln und der Unbekümmertheit, welche die mündliche Kommunikation auszeichnen. Das Internet ist jedoch in aller Regel schriftliche Kommunikation. Ein Beitrag, ein Text oder ein Bild lässt sich oft nicht mehr aus dem Internet entfernen. Zudem gehört zur Selbstreflexionskompetenz die Fähigkeit, die eigene Mediennutzung zu beschränken – und genau daran hapert es heute oft.

In seinem Buch gibt Kreutzer mit anderen Worten dem Leser die Werkzeuge in die Hand, um das eigene, digitale Leben in die Hand zu nehmen. Das geht bis zu Fragebogen, die dabei helfen, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Kurz: Das Buch gibt wertvolle Gedankenanstösse und gute Hilfestellungen für ein selbstbestimmtes, digitales Leben – es ist mit anderen Worten deutlich besser, als es das Titelbild vermuten lässt.

Ralf T. Kreutzer: Die digitale Verführung. Selbstbestimmt leben trotz Smartphone, Social Media & Co. Springer, 190 Seiten, 26.90 Franken; ISBN 978-3-658-27780-2

Erhältlich ist das Buch hier: https://www.biderundtanner.ch/detail/ISBN-9783658277802

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Buchtipp zum Wochenkommentar vom 6. März 2020: Unsere kranke Gesellschaft

Eine Übersicht über sämtliche Buchtipps samt Link auf den zugehörigen Wochenkommentar finden Sie hier:

https://www.matthiaszehnder.ch/buchtipp/