Warum die Einigkeit zwischen Basel und Zürich ein Missverständnis ist

Publiziert am 17. April 2018 von Matthias Zehnder

Es ist schon fast unheimlich, wieviel Einigkeit plötzlich zwischen Basel und Zürich besteht. Rivalität im Fussball? Banken versus Pharma? Grosser Landkanton versus Miniatur-Stadt-Kanton? Denkste. Die letzten verbleibenden Unterschiede beseitigen Bier und Weisswein, schreibt die bzBasel. Basel und Zürich seien eben zusammengewachsen, weil viele Menschen in der einen Stadt wohnen und in der anderen arbeiten, erklärt Andreas Spillmann, der Basler Direktor des Landesmuseums in Zürich gegenüber dem Regionaljournal Basel. Die Basler schwärmen in höchsten Tönen vom Sechseläuten und die Zürcher schwärmen von den Basler «Masken». So richtig haimelig.

Bloss: Ist der Einigkeit zwischen Basel und Zürich zu trauen? Sind sich die Städte wirklich ähnlicher geworden? Ich glaube, das ist ein Missverständnis. Basel und Zürich haben vor allem gemeinsame Interessen entdeckt. Und das ist gut so. Es ist wichtig, dass Basel, Zürich und Genf in der ländlich dominierten Schweiz zusammenspannen und für ihre Interessen einstehen. Aber deswegen sind sich Basel und Zürich noch lange nicht ähnlicher geworden.

Die Grosse und die Unsichere

Wie verschieden die beiden Städte sind, zeigte sich gerade am Sechseläuten. Während der Traditionsanlass für die Zürcher genau das ist: ein netter Traditionsanlass, werden die Basler nicht müde, zu betonen, wie gross ihre Delegation in Zürich gewesen sei, wie ernst die Zürcher Basel nähmen, wie fest die Zürcher applaudiert hätten und wie nett sie gewesen seien – kurz: während die Zürcher das alles als Selbstverständlichkeit nehmen, ergehen sich die Basler in gegenseitiger Selbstvergewisserung, dass Basel genau gesehen und eigentlich doch auch sehr wichtig sei.

Und das legt den wahren Unterschied zwischen Zürich und Basel offen: Zürich ist eine einigermassen moderne Stadt mit eingemeindeten Vororten, einer diversifizierten Wirtschaft, einer starken Universität und einer weltweit beachteten Hochschule. Und vor allem: Die Stadt Zürich hat um sich herum einen starken Kanton mit weiteren grossen Städten und zwischen Stadt und Kanton gibt es einen einigermassen fairen Lastenausgleich, was Zürich das nötige Gewicht verleiht, um auch in der übrigen Schweiz gehört zu werden.

Die mittelalterliche Stadt

Die Stadt Basel ist dagegen quasi im Mittelalter stecken geblieben: Von dem, was aus der Luft als Siedlungsgebiet der Stadt Basel auszumachen ist, gehört vielleicht die Hälfte zur Stadt Basel, der Rest befindet sich in einem anderen Kanton – oder sogar in einem anderen Land. Zu Basel gehört, wie im Mittelalter, was sich intra muros befindet. Deshalb kennen sich in Basel alle, Politiker, Wirtschaftsleute, Kulturschaffende, Journalisten. intra muros ist die Stadt so klein, dass man sich im Alltag ständig über den Weg läuft. Man begegnet sich im Theater oder am FCB-Match, im Cliquenkeller oder in den Restaurants. Deshalb gehen die Basler in Medien und Politik auch pfleglicher miteinander um: Man benutzt in der politischen Debatte einen Ton, der es einem ermöglicht, sich am Abend in der FCB-Loge wieder zu begegnen.

Das wiederum verstehen Zürcher nicht. Im Kanton Zürich können sich politische Gegner gegenseitig bedenkenlos auf den Grind geben. Die Stadt und der Kanton sind gross genug, dass man sich im Alltag nicht ständig über den Weg läuft. Die Zürcher sind deswegen nicht härter und die Basler nicht verschlafener. Beide handeln bloss pragmatisch. (Aber bringen Sie das mal einem Zürcher Journalisten in Basel bei.)

Schulterklopfende Selbstbestätigung

Auf die Spitze brachte die Pseudoähnlichkeit besagter Landesmuseumdirektor Spillmann gegenüber dem Regionaljournal mit der Bemerkung, die Basler seien nicht weltoffener als die Zürcher, weil die Zürcher ja den Flughafen Kloten hätten. Genau das ist aber das beste Beispiel für die Unterschiede zwischen den Städten: In Zürich ist das Ausland das, wo man von Kloten aus in die Ferien fliegt – in Basel ist es das, wohin man mit dem Tram oder dem Velo zum Einkaufen fährt. In Zürich ist das Ausland also die Ausnahme, in Basel ist es Alltag.

Was soll also die schulterklopfende Berichterstattung über das Sechseläuten in den Basler Medien? Es ist Teil jener Selbstvergewisserung, die Basel immer wieder braucht, weil die kleine Stadt am Rhein einen grossen Minderwertigkeitskomplex hat. Das ist manchmal richtig sympathisch – und manchmal echt bemühend. Ich fürchte, es wird schlimmer werden, wenn der FC Basel nicht mehr amtierender Schweizer Fussballmeister ist. Dann brauchen wir Basler unbedingt etwas, das uns vor uns selbst beweist, dass wir schon gut sind.

Das Sechseläuten war übrigens schön, alles war gut organisiert und die Basler Präsenz eindrücklich. Und jetzt zum nächsten Thema.

Basel, 17. April 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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