Nachtrag zur Muba: Noch weniger Besucher
In meinem Wochenkommentar habe ich darüber geschrieben, dass die Muba wie die Tageszeitungen ihren eigentlichen Nutzen verloren hat und sich deshalb radikal neu denken müsse. Das hat mir in den Sozialen Medien und per E-Mail einige Kommentare eingetragen von Menschen, die betonten, dass sie nicht auf die Zeitung verzichten möchten. Dazu später mehr. Am Sonntag abend hat die Muba die Besucherzahlen bekannt gegeben. Resultat: Nur gerade 123’746 Besucherinnen und Besucher haben sich in die Messehallen locken lassen. Das sind über 20’000 Besucher weniger als im letzten Jahr – ein Besucherschwund von 15%. Die Messe schreibt zwar: Dank der interaktiven Konzepte war die Muba 2018 wieder vielfältiger und spannender, muss aber zugeben, dass viele Austeller, welche auf eine hohe Frequenz angewiesen sind, ihre Ziele nicht erreichen konnten.
Kein Wunder, titelt jetzt auch die «Basler Zeitung»: Die Mutter aller Messen liegt auf dem Sterbebett. Christian Keller schreibt: Die Muba 2018 war ein Flop. Der Kurswechsel hin zu mehr «Erlebnis» funktioniert so nicht. Es herrscht Ratlosigkeit. Den Misserfolg der Messe mit der Digitalisierung zu erklären, das sei eine faule Ausrede: Es schwinge der Verdacht mit, dass die Führung des halb staatlichen Messekonzerns das eigene Unvermögen mit dem Verweis auf das globale Internetphänomen zu kaschieren versucht. Das ist übrigens interessant: Wenn die Messe Erfolge ausweist, dann ist sie ein privatwirtschaftliches Unternehmen, geht es um Misserfolgen, wird sie als halb staatlich bezeichnet. Aber das nur am Rande. Die BaZ schreibt, die Digitalisierung sei deshalb eine Ausrede, weil andere Schweizer Traditionsmessen wie die Olma weiterhin erfolgreich seien.
Das Missverständnis Olma
Ich glaube, das ist ein Missverständnis. Die Olma ist nicht in erster Linie eine Messe, sie ist in erster Linie das grosse Volksfest der Ostschweiz. Ich kenne viele Exilsanktgaller, die jedes Jahr an die Olma pilgern. Dabei geht es nicht bloss um die obligate Olma-Bratwurst, es geht vor allem darum, dass sie an der Olma andere Exilsanktgaller treffen. Die Olma von Basel ist nun aber nicht die Muba, sondern die Herbstmesse (und vielleicht auch die Fasnacht). St. Gallen braucht ein Volksfest wie die Olma, Basel hat genügend Volksfeste. Die Muba muss sich deshalb einen anderen Nutzen ausdenken.
Einen Nutzen, der vielen Menschen einleuchtet. Ein Bündel halblustiger Events reicht dazu nicht aus. Es muss etwas sein, was es nur an der Muba gibt – und etwas, das man nicht besser auch im Internet haben kann. Nein, ich weiss nicht, was das sein könnte. Alle Biere der Schweiz zum Probieren. Alle Käsesorten der Schweiz. Alle E-Bikes zum Probefahren. Alle Modetrends des Frühlings zum Anprobieren und Selfies machen. Was auch immer: Es muss die Wörter «alle» und «probieren» enthalten, sonst geht es auch im Internet (und kommt mir nicht mit «Erlebnis», wir sind in Basel keine Landeier, die mal was erleben wollen).
Kritik an der Kritik der Tageszeitungen
Dass ich im Wochenkommentar geschrieben habe, die Muba und die Tageszeitungen seien am Ende, weil ihnen ihr zentraler Nutzen abhanden gekommen sei, hat mit per Mail und in den Sozialen Medien auch Kritik eingetragen. Eine Kritikerin schrieb mir: Mit Ihren Aeusserungen zu den guten alten Papier-Zeitungen bin ich absolut nicht einverstanden! Ich will meine zwei Tageszeitungen und meine Wochenzeitung weiterhin auf Papier haben! Und weiter: Es missfällt mir sehr, dass überall nur noch das Digitale propagiert wird, denn damit verprellt man viele ältere (wie auch viele ärmere) Menschen. Wir sind viele, wir sind an einer gut informierten Gesellschaft interessiert und auf eine solche angewiesen. Viele von uns werden noch eine ganze Zeitlang leben. – Behandeln Sie uns also bitte nicht als vernachlässigbar!
Vielen Dank für die klaren Worte – Sie rennen offene Türen ein. Gerade weil mir Zeitungen am Herzen liegen, wünsche ich mir, dass sich die Zeitungen neu erfinden. Denn das grosse Problem der Zeitungen ist, dass ihr Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert. Tageszeitungen haben im Normalfall je etwa die Hälfte ihrer Einnahmen im Lesermarkt und im Werbemarkt erzielt. Dabei haben sie den Werbern die Leser verkauft – und den Lesern die Werbung. Das rentierte jahrelang so gut, dass sich kein Verlag um die Zukunft scherte – bis es zu spät war. Weil gut informierte Bürgerinnen und Bürger lebenswichtig sind für eine direkte Demokratie, sollten wir uns alle Sorgen machen um die Zeitungen. Oder besser: um die Informationsqualität. Denn von den Zeitungen wie wir sie bisher gekannt haben, müssen wir uns wohl verabschieden, weil ihr Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert. Es wird neue Informationsformen geben – digitale und analoge. Grundbedingung ist, dass sie die Leserinnen und Leser ernst nehmen. Genau so, wie das meine Kommentatorin beschreibt.
Basel, 30. April 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch
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