Warum der Kübel für Basel so wichtig ist

Publiziert am 30. Mai 2015 von Matthias Zehnder

Der FCB ist Schweizer Meister. Und nicht bloss das. Fast noch wichtiger als der Kübel der «Raiffeisen Super League», wie die höchste Spielklasse des Schweizer Fussballs offiziell heisst, ist ein anderer Meistertitel, den der FCB seit vielen Jahren holt: Der FCB ist Schweizer Zuschauermeister. In der letzten Saison verzeichnet der FCB für die Heimspiele der Fussballmeisterschaft über eine halbe Million Besucher. Dazu kommen noch die vier Heimspiele in der Champions League mit je 34 000 bis 36 000 Zuschauern und hin und wieder ein paar Zuschauer an einem Vorbereitungsspiel. Macht in der Summe gut und gerne rund 700 000 Zuschauer in einer Saison.

Die anderen Mannschaften der Super League sind weit abgeschlagen: Auf Platz zwei rangiert YB mit rund 300 000 Zuschauern, auf Platz drei St. Gallen mit rund 250 000 Zuschauern. Der FC Zürich hatte ein Spiel vor Schluss 157 000 Zuschauer. Damit hatte der FCB in der Super League letzte Saison über dreimal mehr Zuschauer als der FCZ und nicht ganz doppelt so viele Zuschauer wie YB. Oder eine andere Rechnung: Im Durchschnitt hat der FCB im Joggeli nach zweieinhalb bis drei Spielen so viele Zuschauer verzeichnet, wie der FC Aarau in einer ganzen Saison mit 18 Spielen ins Brügglifeld lockt.

Ob Meister oder nicht – diese Zahlen demonstrieren die wahre Macht des FCB in der Schweiz. Und das nicht seit gestern. Zuschauermeister ist der FCB, seit die Fussballjournalisten, die ich dazu befragt habe, denken können. In den letzten fünf Jahren lag der Schnitt bei über 29 000 Zuschauer pro Heimspiel, vor zehn Jahren lag er bei etwa 22 000 Zuschauern. YB hatte damals im Schnitt 14 000 Zuschauer, der FCZ hatte 10 000. Und die Zuschauerrekorde des FCB sind nicht erfolgsabhängig: Als der FCB in früheren Jahren in der Nationalliga B spielte, hatte er zuweilen mehr Zuschauer als die Nati A-Klubs – wohlverstanden: mehr Zuschauer, als alle Nati-A-Klubs zusammen.

Warum zieht der FCB so viele Zuschauer an? Es gibt auch in anderen Ländern das Phänomen von Fussballklubs, die, unabhängig von ihrem Erfolg, eine riesige Fangemeinde haben. Dass Real Madrid viele Zuschauer hat, ist ja klar. Zuschauerkrösus in Deutschland ist aber nicht etwa Bayern München, der Deutsche Meister, sondern Borussia Dortmund. Im Schnitt besuchen über 80 000 Zuschauer ein Heimspiel der Borussen; bei den Bayern sind es fast zehn Prozent weniger. Gut, das kann auch mit der Grösse des Stadions zusammenhängen. Trotzdem: Im Ruhrpott identifizieren sich die Menschen mit mehr Herz mit ihrem Club. Die landläufige These lautet: Die haben da nichts anderes, stehen wirtschaftlich schlecht da, Borussia ist ihr einziger Hoffnungsträger. Das sei typisch für wirtschaftlich schwache Regionen, deshalb hätten auch Liverpool, Rennes oder Napoli Anhänger, die für ihren Club fiebern. In Basel greift die These nicht. Basel ist wirtschaftlich stark, vielleicht die stärkste Region der Schweiz. Es gibt kaum Arbeitslosigkeit, die Menschen haben Perspektiven, die Luft ist gut, die Leute reich – alles anders als im Ruhrpott. Warum also spielt der FC Basel in der Stadt eine so grosse Rolle?

WokoBanner

Ich glaube, das liegt an einer Grundverletzung. Basel ist eine starke Region, die zweitgrösste Stadt der Deutschschweiz, die älteste Universitätsstadt – für die Schweiz aber gehört Basel nicht recht dazu. Bern ist die Bundesstadt, Zürich die Hauptstadt der Medien und des Geldes, Genf ist Sitz der UNO. Und Basel? Basel ist «Endbahnhof, bitte alle aussteigen.» Gut, Basel hat die Pharma und viel Kultur. Politisch aber ist der Stadtstaat Basel in der Schweiz ein Exot, medial spielt Basel kaum eine Rolle, die internationale Organisation, die in Basel ihren Sitz hat, die BIZ, ist selbst in Basel kaum bekannt. Basel hat mit Freiburg im Breisgau mehr gemeinsam als mit Zürich und Bern, ist verzahnt mit Deutschland und Frankreich, nach aussen bescheiden, nach innen sich selbst genug. Nur im Fussball, da zeigt Basel der Schweiz den Meister. Regelmässig.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.