Warum Aufmerksamkeit der BaZ (und anderen Zeitungen) nichts bringt

Publiziert am 13. April 2018 von Matthias Zehnder

Die Schweizer Zeitungen erreichen auf Papier laut Wemf insgesamt 329’000 Leserinnen und Leser weniger als noch vor einem Jahr. Zu den Verliererinnen gehört auch die Basler Zeitung: Sie weist zum ersten Mal weniger als 100’000 Leser aus. Hansi Voigt findet deshalb, dass Blochers BaZ-Experiment gescheitert sei. Was zu einem Wutausbruch von BaZ-Verwaltungsratspräsident Rolf Bollmann in der eigenen Zeitung führte. Fakt ist: Zeitungen haben massiv an Bedeutung verloren. Natürlich. Das Internet. Der Strukturwandel. Aber die Zeitungen sind auch selber schuld daran. Denn die Zeitungen meinen, es gehe um Aufmerksamkeit. Doch eigentlich geht es um Vertrauen.

Es war ein Wutausbruch, wie ihn die publizistische Schweiz selten erlebt: Rolf Bollmann, VR-Präsident der Zeitungshaus AG (und damit der «Basler Zeitung») wütete auf der Seite 3 seines Blattes: Nun tauchen sie wieder aus der Versenkung auf, die linkslastigen Angehörigen der Journalistengilde, getarnt als Medienexperten… und weiter: Da schreibt der grösste Loser der Medienbranche, Hansi Voigt, der in seinem ganzen Journalistenleben nur rote Zahlen produziert hat, für das Kommunistenblatt WOZ, eine seit Jahrzehnten auf der Intensivstation liegende Wochenzeitung,…[1] Man könnte lachen, wenn man nicht rasch realisieren würde: Der meint das ernst.

In Rage gebracht hatte Bollmann eine Kolumne von Watson-Gründer Hansi Voigt in der WoZ über die BaZ: Einsamer Minusrekord, titelte Voigt und schrieb: Der geplante Verkauf der «BaZ» ist vor allem die Geschichte der publizistischen, politischen und kommerziellen Niederlage des Medienunternehmers Christoph Blocher.[2] Blocher habe in Basel 200 Millionen Franken in den Sand gesetzt. Auch publizistisch habe sich das Empörungssystem von rechts aussen abgenutzt: Als insbesondere die Leitartikler der «Weltwoche» und der «BaZ» ihren journalistischen Nimbus verloren hatten, funktionierte die Masche nicht mehr. Das hat Bollmann offenbar getroffen: Auf einer ganzen Seite versucht er Voigt, vorzurechnen, dass die BaZ erfolgreich sei.

Bollmann und Voigt irren sich beide

Wer hat recht? Bollmann schreibt: Die «Basler Zeitung nackt» steht nun seit vier Jahren auf gesunden Füssen und erwirtschaftet eine ansprechende Rendite. Wenn man bei der BaZ von Krise rede, dann müsse man sagen, alle anderen abonnierten Tageszeitungen der Schweiz lägen auf dem Totenbett. Der BaZ gehe es nämlich besser als allen. Bollmanns Credo: Kostenmanagement heisst: Ertrag vor Umsatz! Anders gesagt: Lieber etwas kleiner, dafür mit Gewinn. Bollmann: Das sind natürlich unternehmerische Leitsätze, die den Pseudo-Medienexperten völlig fremd sind.

Voigt schreibt: Das Fazit für den politischen Medienunternehmer Blocher fällt nach zehn Jahren vernichtend aus. Die LeserInnen sind davongerannt, Basel wählt linker denn je, wirtschaftlich bleibt ein Millionenloch, und politisch sind seine Produkte zunehmend wirkungslos. Wer hat recht? Stimmt, was Bollmann schreibt: Ist die BaZ eine gute Zeitung, weil sie Ertrag abwirft? Oder ist zutreffend, was Voigt schreibt: Ist die BaZ wirkungslos und damit publizistisch gescheitert? Nun: Beide, Bollmann und Voigt, irren sich.

Die Qualität einer Zeitung bemisst nicht der Buchhalter

Bollmann erklärt sich die BaZ mit Zahlen schön. Sicher: Zahlen gehören dazu. Eine Zeitung, die kein Geld verdient, ist nicht lange Zeitung. Wer aber eine Zeitung auf die Maxime «Ertrag vor Umsatz» reduziert, handelt wie ein Sommellier, der die Qualität eines Weins anhand der Buchhaltung des Winzers beweisen will. Eine Zeitung muss mehr sein wollen als eine schwarze Zahl in der Bilanz: Nützlicher Begleiter, Denkanstosser, Welterklärer, Freund im Informationsdschungel – und lokal verwurzelt. Ein Blick auf die Entwicklung der Leserzahlen in der Schweiz zeigt, dass vor allem letzteres wichtig ist. Laut der neusten Leserschaftsanalyse der Wemf haben vor allem überregionale Zeitungen wie der «Tages-Anzeiger», der «Blick» und die «NZZ» Leser verloren.[3] Regionalzeitungen wie der Winterthurer «Landbote», die «Zürichsee Zeitung» oder die «Appenzeller Zeitung» haben dagegen zugelegt. Die BaZ hat 5,71 % Leser verloren und weist zum ersten Mal weniger als 100’000 Leserinnen und Leser aus.

Bollmann verweist zwar darauf, dass die BaZ online Leser dazugewonnen hat – bloss nützt das der BaZ nichts. Zum eine bringt die Onlinereichweite weniger Geld und zum anderen ist die BaZ damit nicht in ihrem Stammgebiet Basel erfolgreich, sondern (unter anderem) in Deutschland. Der Online-Erfolg ist wohl weniger auf eine gute Basisleistung zurückzuführen als auf (sagen wir) spezielle Texte, die stark auffallen, etwa das Interview mit AfD-Frau Beatrix von Storch,[4] das in Deutschland stark beachtet wurde, oder den Kommentar zu Ostern 2018 des Churer Bischofs Vitus Huonder.[5] Nicht-Basler pflegen zu solchen Texten zu sagen, das sei doch toll, die BaZ sei interessant, weil anders. Aus der Optik von Nicht-Baslern ist das richtig – aber eine Tageszeitung für Basel muss nicht in erster Linie anders sein als alle anderen deutschsprachigen Zeitungen, sie muss in erster Linie baslerischer sein (und erst dadurch anders als alle anderen Zeitungen). Huonder und von Storch aber haben keinen Bezug zu Basel. Kurz: Der von Bollmann angeführte Online-Erfolg ist nutzlos.

Leider ist die BaZ in Basel nicht wirkungslos

Aber auch Hansi Voigt irrt sich, wenn er schreibt, die BaZ sei in Basel wirkungslos. Es stimmt: Basel hat weiterhin keinen SVP-Vertreter im Regierungsrat. Im Sinne des Wähleranteils der SVP mag die BaZ in Basel nicht viel erreicht haben. Gewirkt hat sie trotzdem. Sie versprüht seit Jahren ein langsam wirkendes Gift: Misstrauen. Markus Somm hat das in Texten mehrfach explizit angesprochen: Seine Zeitung solle Politiker und Beamte so kritisch und mitleidlos wie möglich beobachten[6], ja seine Journalisten sollten die Politik aus den Angeln heben.[7] Das hat dieBaZ immer wieder gemacht und dabei auf einzelne Menschen gezielt und Institutionen gezielt diskreditiert. Mitleidlos eben. Sie hat damit nicht für einen Rechtsrutsch in Basel gesorgt (zuweilen sogar eher für eine Gegenreaktion), aber sie hat den Ton der politischen Debatte gehässiger, unversöhnlicher und ideologischer gemacht. Heute, da muss man Hansi Voigt recht geben, ist auch diese Wirkung verpufft. Heute regt sich niemand mehr auf.

Die Nützlichkeit ist der Schlüssel

Das liegt nicht einfach an einer falschen Positionierung der BaZ in Basel. Das geht vielen Zeitungen so. Das Internet hat dazu geführt, dass wir Zeitungen nicht mehr brauchen. Wir brauchen sie nicht mehr, um informiert zu sein – und nicht mehr, um Wohnungen zu suchen, eine Stelle zu finden oder zu wissen, was im Kino läuft. Allem Journalistenstolz zum Trotz waren diese Funktionen einer Tageszeitung, vom Veranstaltungskalender über die Gratulationen bis zur Todesanzeige, für viele Leser wichtiger als der kluge Leitartikel auf der Frontseite. Den Leitartikel gibt es noch. Alle anderen Funktionen sind ins Internet abgewandert (mit Ausnahme der Todesanzeigen) – und mit ihnen viele Leser. Alle in den letzten zwölf Monaten haben die Schweizer Zeitungen 329’000 Leser verloren.[8] Das entspricht etwa der Zahl der Einwohner der Städte Basel und Bern.

Die meisten Zeitungen haben darauf reagiert, indem sie stärker und gezielter die Aufmerksamkeit bewirtschaften. Das Mittel dazu sind «Exklusivgeschichten», Recherchen, Aufreger, Sensationen.[9] Offensichtlich suchen die Leserinnen und Leser aber nicht die Aufregung, sonst wären Zeitungen (gerade auch die BaZ) erfolgreicher. Ich glaube deshalb, Zeitungen sollten sich vom Aufregungsmodus verabschieden und sich überlegen, wie sie ihren Leserinnen und Lesern wieder nützlich werden können.

Was ist eine nützliche Zeitung?

Natürlich gibt es kein Geheimrezept, wie man über Nacht eine nützliche Zeitung herbeizaubern kann. Ich sehe aber drei Aspekte, die dabei sein sollten:

  1. Erklären statt erregen. Viele Zeitungen zelebrieren den Aufregungsmodus, die Atemlosigkeit, das Exklusive. Ich glaube, angesichts von Internet, sozialen Medien und Pushmeldungen haben wir anderswo genug davon. Zeitungen sollen deshalb wieder mehr erklären. Nicht nur kommentieren, sondern erklären.
  2. Übersicht schaffen. Unser Problem ist heute, dass wir zu viele Informationen haben. Eine Zeitung sollte deshalb Übersicht schaffen. Diese fünf Meldungen sind heute wichtig. Das war die Woche in Basel. Das müssen Sie über die Wirtschaft jetzt wissen. Das heisst auch: Eine gute Zeitung muss nicht dick sein. Eine gute Zeitung ist dünn.
  3. Bescheidenheit. Es kann nicht darum gehen, die Politik aus den Angeln zu heben oder es denen in Bern zu zeigen. Im Zentrum muss die Leserin, der Leser stehen. Das braucht von den Machern etwas mehr Bescheidenheit.

Der Erfolgsfaktor für eine Zeitung ist letztlich nicht die Aufmerksamkeit, die sie erzielt, sondern das Vertrauen, das ihre Leser in sie haben. Um das ist es nicht gut bestellt: Das Vertrauen in die Medien ist heute so tief wie selten. Das zeigte diese Woche unter anderem der «easyvote-Politikmonitor 2017»:[10] Junge Menschen in der Schweiz vertrauen den Medien nicht. Eine Folge davon ist, dass klassische Medien wie Zeitungen laut der Studie weiterhin an Wichtigkeit einbüssen. Interessant ist dabei: Eine Verschiebung weg von den klassischen und hin zu den neuen Medien wie Twitter, Facebook oder Instagram ist aber auch nicht einfach zu beobachten. Im Gegenteil: Facebook verzeichnet einen mindestens ebenso starken Relevanzverlust wie die klassischen Medien.

Facebook, deren Chef Mark Zuckerberg diese Woche in zwei langen Hearings dem amerikanischen Senat und dem Repräsentantenhaus Red und Antwort stehen musste, hat weiter Vertrauen eingebüsst. Bis jetzt konnten die klassischen Medien davon nicht profitieren. Es wäre an der Zeit, dass sie das ändern.

Basel, 13. April 2018, Matthias Zehnder mz@matthiaszehnder.ch

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[1] Vgl. BaZ vom 10.04.2018, Seite 3 oder hier: http://mybaz.ch/CqwZOy/#.Ws9pvIk1doI.twitter

[2] Vgl. WoZ Nr. 12/2018 vom 22.03.2018 oder hier: https://www.woz.ch/-883d

[3] Vgl. http://www.persoenlich.com/medien/welche-blatter-leser-einbussen-welche-zulegen

[4] Vgl. https://bazonline.ch/ausland/europa/es-ist-auf-jeden-fall-grosser-quatsch/story/29894093

[5] Vgl. https://bazonline.ch/leben/gesellschaft/euer-glaube-ist-leer/story/17547672

[6] Vgl. BaZ vom 12. Januar 2014, Seite 1

[7] Vgl. BaZ vom 26. März 2014, Seite 1

[8] Vgl. Reichweite der Tageszeitungen und regionalen Wochenpublikationen in der Deutschschweiz im Jahresvergleich (Wemf Mach Basic 2017-1 / 2018-1).

[9] Ich habe darüber kürzlich ein Buch geschrieben: «Die Aufmerksamkeitsfalle», siehe www.aufmerksamkeitsfalle.ch

[10] Vgl. https://www.easyvote.ch/fileadmin/files/Politische_Partizipation/Studien/Politikmonitor_2018/easyvotePolitikmonitor17_WIK_D.pdf

9 Kommentare zu "Warum Aufmerksamkeit der BaZ (und anderen Zeitungen) nichts bringt"

  1. Herr Zehnder, sehr guter Artikel. Dem „CH-Zeitungswesen“ (in welchem Zoo lebt denn dies?) geht es alles andere als rosig. Guter realer und neutraler Bericht.
    Doch wenn es um die BaZ geht, hat Ihnen Ihre Ideogie ein Schnippchen geschlagen. Oder um es passend mit den Worten von Rolf Bollmann auszudrücken: „Denn was nicht sein darf, darf nicht sein!“
    Ich bin froh, haben wir 2 (BZ-Basel, BaZ), ja sogar 3 (TaWo) Zeitungen in der Stadt. Ich bin froh, deckt die BaZ auf, von links bis rechts: Die Mafia-Schachzüge eines FDP-Wirtschaftskammer-Präsi Buser; auch die Vorwürfe gegen Parteisekretär und SVP-Grossrat Joël Thüring kamen ans Licht, da letzterer unter anderem 15’000 Franken aus der Parteikasse für sein Grossratspräsidentenfest vom Februar 2017 genommen hat. Oder man denke zurück an die Ferien-Flughafen-Taxi-Fahrten für hohe Beamte im Polizeidepartement von FDP-RR Baschi Dürr mit Staatslimousinen. Natürlich kommt auch die Linke dran. Wenn Wessels im Elsass auf Staatskosten essen geht, darf das der Basler Bürger erfahren. Oder wenn Eva Herzog zu einer älteren Baslerin, welche sich wegen Steuer-(last)-Sorgen an sie wandte, am Telefon kurz und verletzend war, geht das ok wird dies thematisiert.
    Würde die BaZ in die Hände von Riniger, Tamedia oder Wanner fallen, welche die ganze Schweiz beherrschen mit ihren Zeitungen, gäbe es auch bei uns den selben Softlan-gespülten Einheitsbrei wie in der übrigen Schweiz, auch Verlautbarungsjournalismus oder (aufgeschnappt) neu „Nanny-Journalismus“ genannt. Die BaZ ist ein Leuchtturm in Sachen journalistischer Vielfalt für die Schweiz. Ansonsten hätte das „Print-Schiff“ (schweizweit gesehen) deftig Schlagseite; nach links notabene.
    Das journalistische Verständnis von Markus Somm (Chefredaktor der BaZ) kann ich voll und ganz teilen. Er beschreibt es (sorry, wenn ich mich wiederhole) so schön unter:
    https://bazonline.ch/kultur/diverses/unser-lieber-staatsfeind/story/19907341
    Nehmen Sie sich die Zeit, dies zu lesen. Ich finde, es lohnt. Mehr zu sagen gibt es eigentlich nicht, ausser dass die BaZ und ihre Zahlen gar nicht so schlecht sind, denn die Basler Zeitung wird gemäss den neuen Studienergebnissen aus MACH Basic (Print) und NET Metrix (Online) pro Tag gesamthaft von 150’000 Lesern genutzt und kann damit als einer der wenigen bezahlten Tageszeitungstitel einen Zuwachs (plus 1,4%) gegenüber der Vergleichsperiode 2017-1 ausweisen. Beim digitalen Inhalt erfolgt der Zugriff inzwischen zum grössten Teil mobil über die BaZ-News-App oder den Browser und entwickelt sich ausgesprochen positiv.
    Die Wemf befragt für diese Studien bewusst keine Leser, welche ausserhalb der Schweiz wohnen, da diese für die Schweizer Werbeauftraggeber nicht interessant sind. In der digitalen Nutzerschafts-Studie NET Metrix werden die Zahlen für das Ausland zwar erhoben, sie werden jedoch nicht in der Gesamtstudie «Total Audience» verwendet. Für die Basler Zeitung in der grenznahen Region im Dreiländereck CH/D/F, fallen damit z.B. im Jahr 2017 allein rund 13,5% der digitalen Visits aus Deutschland und Frankreich aus der Studie heraus.
    Ich habe bei der BaZ keine Aktien oder arbeite dort, sorry, auch wenn mein Kommentar heute mal als Plädoyer „pro BaZ“ daherkommt – aber im Zusammenspiel zum eher kritischen M. Zehnder-Kommentar ergibt es wieder „die gut schweizerische Ausgewogenheit“, deshalb erlaubte ich mir dies ausnahmsweise heute einmal.
    Allen und Allem gemeinsam ist und gilt aber, freuen wir uns, dass es noch lesende Zeitgenossen gibt, sei es Zeitung, Buch, Gebrauchsanweisung oder Menukarte, denn „Lesen bildet – und macht keinen Lärm.“

    1. Lieber Herr Zweidler

      Sie haben natürlich recht (und das steht auch in meinem Kommentar): Die BaZ verzeichnet online viele Zugriffe aus Deutschland. Bloss: Das nützt der BaZ herzlich wenig. Der Grund ist die Funktionsweise einer Regionalzeitung: Sie spricht einen geografisch abgesteckten Markt an. Wie stark sie in diesem Markt ist, das ist nicht von absoluten Zahlen abhängig, sondern von der relativen Stärke in diesem geografischen Markt (also nicht von der Grösse, sondern von der Marktdurchdringung). Das Gebiet, das die BaZ im Werbemarkt bearbeitet, ist das WG31 (Wirtschaftsgebiet nach Wemf), also Basel, Baselland, Fricktal. Wenn die BaZ in diesem Gebiet eine gewisse Durchdringung hat, dann ist sie als Werbeträgerin interessant. Wenn die Durchdringung zu tief ist, dann spielt sie im Werbemarkt keine Rolle mehr (und zwar egal, wie gross die Auflage in absoluten Zahlen ist).
      Stellen wir uns als Beispiel eine Zeitung A in einer kleinen Stadt vor. Wenn diese Zeitung eine Auflage von 1000 Exemplaren hat, aber damit 70% der Haushalte in der Stadt erreicht, dann ist sie für das lokale Gewerbe, die Läden und Restaurants als Werbeträger interessant. Nehmen wir eine Zeitung B mit 10’000 Auflage, die aber ihre Leserinnen und Leser in der ganzen Schweiz verteilt hat. Obwohl Zeitung B zehnmal so gross ist wie Zeitung A, wird sie weniger Werbung verkaufen, weil sie in keinem der lokalen Märkte eine zwingende Grösse ist. Es sei denn, sie könne glaubhaft eine thematische Klammer setzen und beweisen, dass sie zum Beispiel 70% einer bestimmten Berufsgruppe erreicht. Dann wäre es aber keine Lokalzeitung mehr, sondern eine Special Interest-Publikation.
      Ausschlaggebend für den Erfolg einer Lokalzeitung im Werbemarkt ist immer die Durchdringung im lokalen Werbemarkt, also an einem bestimmten Ort. Und das schaffen Sie heute wahrscheinlich nur, wenn Sie eine mehrheitsfähige Publikation produzieren (oder, mit Ihren Worten, Mainstream publizieren). Die Kunst ist es, die Zeitung so mehrheitsfähig zu machen, dass sie möglichst viele Menschen anspricht, aber so eigenständig und nützlich, dass die Zeitung sich von anderen unterscheidet. Das ist der Grund, warum eine Lokal/Regionalzeitungen mit starkem, politischem Einschlag heute nicht mehr erfolgreich sein kann. Das ist im Übrigen keine politische Beobachtung, sondern eine medienökonomische, das gilt für Abweichungen vom Mainstream nach links wie nach rechts.
      Einen schönen Sonntag wünscht, Matthias Zehnder

  2. Bloss ein kleiner Hinweis, wie die BaZ-Reichweite im Netz zustande kommt: die ganze Stadt weiss mittlerweile, dass man sich mit dem Benutzernamen und dem Passwort gratis einloggen kann.
    Die BaZ-Verantwortlichen wissen das sehr wohl, aber die Reichweite ist ihnen wichtiger… (sprich: Werbeertrag vor Abo-Gebühr!)

    1. Passwort und Benutzername lauten beide „migros“. Das ging im Beitrag oben leider verloren…
      (Falls Passwort/Benutzername -aus welchen Gründen auch immer- gelöscht wurden, dann bitte auch meinen Beitrag ganz löschen. Danke,)

    2. Lieber Herr Sutter

      Herzlichen Dank für Ihren Kommentar, aber das Login betrifft das E-Paper, nicht die Website. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass es in Basel mehrere Logins gibt, die „man“ kennt. Und wer kein Login hat, der liest die BaZ im Café. Das würde bedeuten: Man liest die BaZ zwar in Basel, aber man will nicht dafür zahlen. Heisst: Man ist zwar neugierig, was die BaZ grad wieder geschrieben hat, wertschätzt es aber nicht (und will auch nicht dazu stehen, dass man die BaZ liest). Auf die Länge ist das für eine Zeitung in einer Stadt fast so verheerend, wie wenn sie gar nicht gelesen wird…
      Einen schönen Sonntag wünscht, Matthias Zehnder

  3. Was für Herrn Blocher ein Verlust von 200 Millionen, wären für meine Verhältnisse schätzungsweise 2’000 Franken. Nicht gar nichts, aber auch nicht wirklich sehr viel. Der WoZ habe ich zum Start CHF 5’000 gegönnert. Das war damals mein halbes Vermögen. Ich war überzeugt, dass Bildung und guter Journalismus die Aufklärung auf Trab halten. Heute scheint mir vor allem zu zählen, was finanziellen Gewinn bringen kann. Mit Wissen, das kaum jemand wissen will, ist kein Geschäft zu machen: Wer will schon das Schlaraffenland in Frage stellen? Das Getue um die BaZ scheint mir ebenso ein Ablenkungsmanöver wie das Links-Rechts-Hickhack der parlamentarischen Parteiendemokratie: Die Weichen stellen in Tat und Wahrheit die Superreichen. Eine Mehrheit sind sie nicht. Aber zusammen mit den vielen, die es gierig so haben möchten wie sie, sagen sie, wo es lang, und was dabei drauf geht.

  4. Warum ich die BaZ nicht lese? Nicht weil ich Zürcher bin, nein, weil mich die Meinung von Markus Somm nicht interessiert. Und die der anderen profilneurotischen Schreiberlingen auch nicht. Und natürlich bin ich ein SVP-Gegner. Also gute Gründe, mich anderswo zu informieren, sicher aber nicht in einem SVP-Blatt! Schade zwar trotzdem, wenn die BaZ eingeht, das Zeitungssterben finde ich traurig. Früher habe ich mir die Zeit genommen im Café jeden Morgen um 7 Uhr eine Stunde die Zeitungen zu durchforsten. Jetzt mache ich das nicht mehr, weil alles was da steht schon nach dem erscheinen nicht mehr aktuell ist. Interessant finde ich die Kommentare von Matthias Zehnder, die lese ich. Muss doch ein Aussteller für Dich sein, lieber Matthias . . .
    (ich kenne Dich übrigens von früher, da bist Du in meinem Atelier in Zürich (Headline AG) an der Reinhardstrasse 19 jeweils zu Harry Bruppacher gekommen)

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