Wie christlich hat die Schweiz zu sein?

Publiziert am 26. August 2016 von Matthias Zehnder

CVP-Präsident Gerhard Pfister möchte die Religionsfreiheit in der Schweiz beschränken und eine Diskussion über einen Religionsartikel in der Verfassung anstossen. Pfister sagt: «Die Schweiz ist ein christliches Land.» Wer in der Schweiz lebe, müsse die christlichen Werte anerkennen. Was heisst das für das Verhältnis von Staat und Religion? Ist die Schweiz wirklich christlich? Und was heisst das für Juden, Muslime – und für Atheisten? Anmerkungen zur Religionsfreiheit.

Wir müssen Grenzen der Religionsfreiheit diskutieren. Das erklärte Gerhard Pfister diese Woche gegenüber Radio SRF. Pfister sagte: Wir sind herausgefordert durch Menschen und Ideologien, welche unseren Rechtstaat bekämpfen und unsere Kultur nicht befürworten, obschon sie in dieser Kultur leben wollen. Hier muss die Politik Antworten finden. Wo sind die Grenzen der Religionsfreiheit, wo setzen wir wie den Rechtstaat durch?

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Gegenüber der NZZ erklärte Pfister: Dazu gehört, dass wir uns wieder stärker zur eigenen Geschichte und Kultur bekennen und uns fragen, was denn eigentlich zu unserer Identität gehört. Schon im Juni erklärte er gegenüber dem «Blick», was er sich darunter vorstellt: Schluss mit falscher Toleranz! Denn: Die Schweiz ist ein christliches Land. Dazu sollten wir wieder stehen. Und wir sollten klarmachen, dass wir bereit sind, dieses Erbe zu verteidigen. Wer bei uns lebt, muss lernen, diese christlichen Werte anzuerkennen.

Auf den ersten Blick klingt das ja gut: Die Schweiz muss doch als christliches Land ihre Werte verteidigen. Es geht um unser kulturelles Erbe. Um Anstand, gegen falsche Toleranz. Doch ist es wirklich so einfach? Ist die Schweiz wirklich christlich? Und was heisst das für Juden, Muslime – und für Atheisten? Denken wir das einmal durch.

 Keine urschweizerische Angelegenheit

Das Erbe, auf das sich die Schweiz besinnen könnte, gibt es so nicht. Die Schweiz war nämlich nicht einfach christlich. Die Kantone waren entweder evangelisch-reformiert oder katholisch, das aber jeweils verpflichtend. Das freie, christliche Schweizervolk, das seit Menschengedenken demokratisch selbst über sein Schicksal bestimmen kann, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Fiktion: In Basel waren es die reformierten Männer, die das Sagen hatten. Frauen und Andersgläubige hatten in unserer Geschichte und Kultur nichts zu melden.

Das blieb so bis tief ins 19. Jahrhundert hinein. Unter dem Druck der zunehmenden Mobilität und der daraus resultierenden Durchmischung der Glaubensbekenntnisse lockerte sich der Konfessionszwang. Im 19. Jahrhundert meinte Religionsfreiheit die in der Praxis die Freiheit, eine christliche Konfession zu wählen. So erklärte man zum Beispiel im Aargau, um weiterhin einen wahrhaft christlichen Staat zu bewahren, sei die Zeit für eine unbeschränkte, individuelle Religionsfreiheit, die auch die Türken und Heiden einschliesse, noch nicht reif. Auch die Bundesverfassung von 1848 änderte das nicht. 1866 wurden die Juden in der Schweiz immerhin als Bürger gleichberechtigt – ausser im Kanton Aargau. Da wurde die Gleichberechtigung für Juden erst 1879 angenommen. Religionsfreiheit garantierte erst die Totalrevision der Bundesverfassung von 1874.

Damals war Religionsfreiheit vor allem die Freiheit von aufgezwungen Religionen oder Konfessionen. Heute meint Religionsfreiheit eher die Freiheit für die Ausübung der eigenen Religion. Dabei hat Religionsfreiheit immer zwei Aspekte: Einerseits die Freiheit der Religion vom Staat und andererseits die Freiheit des Staates von Religion. Einerseits also kein staatlicher Druck auf das Individuum in Sachen Religion durch den Staat, andererseits keine Verschränkung des Staates mit Religion. Pfister denkt offenbar daran, im zweiten Aspekt das Rad der Zeit wieder zurückzudrehen und in der Schweiz den Staat wieder stärker mit Religion zu verschränken.

Die Sache mit den Werten

Bei aller Freiheit – die Religionsfreiheit gilt, wie alle anderen durch die Verfassung garantierten Freiheiten, keineswegs absolut. Die Verfassung garantiert den Schweizern auch Bewegungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit oder Wirtschaftsfreiheit. Das heisst aber noch lange nicht, dass Sie sich frei durch mein Wohnzimmer bewegen, in meinem Garten niederlassen und da ein Drogenlabor gründen dürfen. Natürlich nicht, sagen Sie jetzt vielleicht, das ist gesetzlich verboten. Genauso ist es auch bei der Religionsfreiheit: Sie umfasst Glaubens- und Kultusfreiheit, solange man sich dabei innerhalb der Gesetze bewegt.

Es ist denn auch auffallend, dass es Gerhard Pfister und den Promotoren einer Beschränkung der Religionsfreiheit gar nicht um die Gesetze geht, sondern um christliche Werte. Es geht also nicht um den klar geregelten Bereich des Erlaubten und Verbotenen, es geht um das Erwünschte. Es würde bedeuten, dass der Staat die Aufgabe hat, nicht nur Gesetze durchzusetzen, sondern als Sittenwächter auftritt und einen Wertekanon durchsetzt. Bloss – wer bestimmt ihn? In einer Demokratie liegt die Antwort auf der Hand: die Mehrheit.

Bornierte Vorstellung einer Leitkultur

Es müsste also die Mehrheit darüber befinden, was erwünscht ist in diesem unserem Land und was unerwünscht. Begrüssung durch Handschlag ist erwünscht, die Burka ist unerwünscht. Der Burkini widerspricht unseren ästhetischen Vorstellungen beim Baden, also gehört er ausgezogen. Die französische Polizei hat diese Woche in Cannes eine Muslimin praktisch mit vorgehaltener Pistole dazu gezwungen, ihren Burkini auszuziehen. Ironischerweise nimmt der Feldzug gegen den Burkini genau da seinen Anfang, wo der Siegeszug des Bikinis einsetzte: Als sich Brigitte Bardot während der Filmfestspiele in Cannes 1953 am Strand in einem Bikini fotografieren liess, sorgte das für einen Skandal. Die Bardot trug den Sittenwächtern damals zu wenig Stoff, heute tragen Frauen offenbar zu viel. Mit Objektivität hat das nichts zu tun. Es sind Äusserungen eines zeitgenössischen Mehrheitsgeschmacks.

Jürgen Habermas schreibt dazu in seinem klugen Aufsatz Politik und Religion im gleichnamigen Sammelband: Die Mehrheitskultur darf die Mitglieder einer Gesellschaft nicht in der bornierten Vorstellung einer «Leitkultur» gefangenhalten, die sich eine ausschliessende Definitionsgewalt über die politische Kultur eines Landes anmasst. Genau darum aber geht es bei den Versuchen, unter Berufung auf christliche Werte und die Geschichte und Kultur eine bornierte Vorstellung von Leitkultur zu zementieren.

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In einem demokratischen Rechtsstaat darf es neben dem Gesetz nicht einen bindenden Wertekatalog geben, und sei er (scheinbar) noch so christlich und historisch verbürgt. Die Einführung von solchen christlichen Werten (also von religiösen Regeln) wäre nichts Anderes als eine Theokratisierung des Staates. Es wäre eine Art «christliche Scharia».

Wenn wir schon christliche Werte zu Hilfe nehmen, gäbe es dringendere Aufgaben als das christlich-motivierte Stirnrunzeln über Burka und Burkini, das nichts anderes ist als eine verbrämte Ablehnung des Islams, so, wie weiland der Aargau die Türken und Heiden ablehnte. Wenn wir uns auf christliche Werte berufen wollten, dann wäre es viel naheliegender, Nächstenliebe und Hilfe für Schwache und Kranke ins Zentrum zu setzen. Das aber würde heissen, dass die Schweiz die Hilfesuchenden (in Como) nicht von ihrer Haustür weisen dürfte. Und so christlich will Gerhard Pfister seine Schweiz natürlich auch wieder nicht haben.

Am 1. August…

6 Kommentare zu "Wie christlich hat die Schweiz zu sein?"

  1. Wenn alle, die sich heute lautstark und pathetisch auf christliche Werte berufen, auch tatsächlich nach den fundamentalen christlichen Grundsätzen leben würden, dann sähe es anders aus. Die Kirchenaustritte, egal aus welcher Konfession, lassen dazu auch grüssen.

  2. Es fühlen sich nicht wenige CVP-Politiker und CVP-Politikerinnen bemüssigt zu betonen, wie unnötig es sei Kriegsmaterialexporte zu verbieten. Hier hätte ich von einer sogenannt christlichen Partei endlich eine andere Haltung erwartet. Und ich möchte wie Herr Zehnder gerne wissen, was unter „christlichen Werten“ zu verstehen sein soll. Das Einsegnen von Kanonen und Kampfflugzeugen durch Priester dürfte damit nicht gemeint sein. Die CVP-Exponenten bleiben lieber vage, denn sie wollen nicht damit herausrücken, was sie genau verfolgen. (Ächtung der Homo-Ehe? Abtreibungsverbot?) Eine Sozialpolitik, die diesen Namen verdient, ist offenbar auch nicht gemeint. Hier begnügt man sich lieber mit platten Phrasen und stimmt mit SVP und FDP für Sozialabbau. Eine Kritik, gefolgt von konkreten Massnahmen gegenüber der schamlosen Raubzug des Finanzkapitals, so etwas istvom neoliberalen CVP-Chef Pfister sicher nicht zu erwarten. Flüchtlinge werden von der CVP vorwiegend als Bedrohung wahrgenommen. Schliesslich geht es um Wählerstimmen, man muss sich dem von der SVP geschürten Hassklima anpassen. Während die SVP mit ihrer völkischen Politik Erfolg hat, scheint es die CVP nun mit ihren „christlichen Werten“ zu versuchen: zwei Seiten derselben Medaille?

  3. Es ist noch nicht allzu lange her als der Jesuitenartikel in der Bundesverfassung gestrichen wurde. Im Rahmen der Diskussion über neuerliche Religionsartikel wäre es vielleicht an der Zeit auch die Präambel „Im Namen Gottes ….“ wieder zu diskutieren und ein Verbot für Bund, Kantone und Gemeinden zu erlassen, Kirchensteuern im Namen der „Staatskirchen“ einzuziehen. Seien wir doch konsequent in der Trennung von Kirche und Staat, wie dies Frankreich tut, dessen oberstes Gericht erst gestern klar feststellte, dass das Tragen eines Burkinis am Meeresstrand die Staatssicherheit nicht bedrohe und der Staat niemandem verschreiben darf, welche Kleider er wann und wo tragen muss, soll oder darf. Unsere wesentlichsten Werte des staatlichen Zusammenlebens sollten aus der Bundesverfassung hervorgehen, was aber durch den Missbrauch des Initiativrechts längst verunmöglicht wird. Wir sind bald so weit, dass wir Anstandsregeln in die Bundesverfassung schreiben, etwa wer wem wann die Hand geben muss.

  4. Inhaltlich finde ich es absolut o.k., wenn sich die CVP wieder mehr der hiesigen Kultur zuwendet. Ob man die jetzt „christlich“ nennt (welch grosses und weitgefächertes Wort, in das jeder so viel reininterpretiert) oder einfach einheimisch, eigen, ursprünglich (was unsere abendländische Lebensweise fast besser oder zumindest neutraler beschreibt), ist zweitrangig. In dieser „multikulturellen Zeit“, die von vielen gefördert wird, die aber immer mehr zu einer „multikriminellen Zeit“ mutiert, dürfen auch „härtere Ansagen“ (wie die eines G. Pfisters, wobei selbst diese im internationalen Vergleich immer noch Buttergipfelweich sind) nicht ideologischen Denkverboten auferlegt werden. Die langfristigen Kriminalitätsstatistikreihen, die Belegungsstatistikreihen unserer Gefängnisse sprechen da eine klare, unmissverständliche Sprache, welcher die jetzige CVP Rechnung trägt und auch vom Stimmvolk – welches im Schweizer Alltag 2016 lebt und sieht, was abgeht – gewünscht wird.
    Anders sehen es oft Journalisten und Kolumnisten unseres Landes. Sie stellen oft die Wirklichkeit in bester Weichspüler-Manier dar. Der Leserschaft wird Sand in die Augen gestreut, alles wird durch die rosarote Brille gesehen und himmelblau dargestellt. Das kann nicht die Aufgabe des (oftmals noch staatlich geförderten) Journalismus sein. Auch folgendes Beispiel, so finde ich, gehört in diese Kategorie:
    >>…Die französische Polizei hat diese Woche in Cannes eine Muslimin praktisch mit vorgehaltener Pistole dazu gezwungen, ihren Burkini auszuziehen. Ironischerweise nimmt der Feldzug gegen den Burkini genau da seinen Anfang, wo der Siegeszug des Bikinis einsetzte: Als sich Brigitte Bardot während der Filmfestspiele in Cannes 1953 am Strand in einem Bikini fotografieren liess, sorgte das für einen Skandal….<<
    Wieso verwechselt man da (unbewusst oder bewusst) Apfel mit Birnen? Warum hinterfragt und beleuchtet man solche Meldungen nicht kritisch, was eigentlich die Aufgabe journalistischer Tätigkeit wäre? Die Auflösung: Während es sich beim Bikini von Bardot in den 50er Jahren bloss um eine Mode handelte (die Moden kommen und gehen…) handelt es sich beim Burkini doch um eine Sinnesbekenntnis. Es steckt eine ganze Religion dahinter. Es ist ein klares Ausbreiten anderer Weltideologien. Politisches Statement. Auch wurden im Umfeld von Bardots Bikini nie grausame Anschläge mit hunderten von Toten und Verstümmelten produziert. Burkini und Burkas sind Gefängnisse aus Stoff, die von den Trägerinnen in den allerwenigsten Fällen freiwillig getragen werden. Eine zwanghafte Verschleierung der Frauen, angedroht mit Knebelhieben, mit Demütigung, mit Rache, mit Ehrenmorden bis zum Tod hat nichts mit Wahlfreiheit und Eigenständigkeit von Muslimas zu tun.
    Somit ist obgenannter Vergleich mit Apflen und Birnen über die softskizzierte Darstellung noch zu verharmlosend. Es sind Unterschiede, welche eher einem Elefanten und einer Maus ähneln.
    Somit kann ich, wie eingangs erwähnt, die neue Linie der CVP begrüssen.
    Was aber die Standfestigkeit dieser Partei angeht, sieht es trauriger aus. Die CVP wurde und wird in Bern oft als Wischi-Waschi-Partei betitelt und angesehen. Sie ist wie eine Wetterfahne, kommt der Mainstream-Trend eher von links, wird man linker. Kommt er eher von Rechts, wird man rechter. Eine Wendehals-Partei, wie sie im Buche steht. Die klassische Mittepartei, welche sich oft der Mehrheit anschliesst, aber keine eigene Linie fährt oder gar Rückgrat besitzt. Wenn man von unserer Region Basel spricht, ist Wakelkandidatin Elisabeth Schneider-Schneiter (hachdünn gewählte Nationalrätin der CVP BL) das beste Beispiel. Sie wurde als erfolgreichste Politikerin in Bern tituliert, weil sie im Parlament die meisten Parlamentsabstimmungen gewann. Sie drückt also immer das "Ja oder Nein-Knöpfchen" am Pult so, dass sie bei den Abstimmungsgewinnern steht. Sie schaut zuerst, welche Seite auf der Sonnenseite der Strasse geht und schliesst sich dann schlussendlich denen an. Ich empfinde sie als wankelmütig und unklar, da kann auch ihre Ausdruckskraft vermitteln wollende, starke Betonmischerstimme nichts daran ändern. Wie gesagt, so hat sie die meisten Abstimmungen aller Politiker in Bern gewonnen.
    Ist das jetzt erfolgreich oder wie den Kommentaren der Leser dieses Artikels einer Gratiszeitung zu entnehmen einfach nur wendehalsig, rückgratlos und anbiedernd? Urteile sind jedem selbst überlassen.
    Da sind mir klare linke Linke, grüne Grüne oder konervative Konservative lieber als ein Sack voll CVP – bei dem man nie weiss, was drin ist!

  5. Die mehr oder weniger grossen bis unvereinbaren Divergenzen in Bevölkerungssituationen mit einem hohen Anteil an Migration sehe ich nicht nur durch unterschiedliche Religionen, sondern durch die mehr oder weniger erzwungene Koexistenz diverser Völkerstämme einerseits, und unsere seit Urzeiten auf Existenzsicherung programmierten Stammhirne anderseits begründet. Ein Völkerstamm sichert seine Identität ausser durch seine Religion massgebend beispielsweise durch sein Territorium, seine Nation, seine Sprache, seine Kleider, seine Speisen und seine Rituale. Stammhirne können unstabile und oder mehrdeutige Verhältnisse, wie sie Migrationsgesellschaften mit sich bringen, nicht gut ertragen. Um sich vor dem Kollabieren oder gar einem Infarkt zu retten, setzen sie alles dafür ein, eindeutige Verhältnisse zu wahren beziehungsweise wieder herzustellen. Auch wenn das Denkhirn um die Aussichtslosigkeit weiss. So wie dies Populistinnen und Populisten tun. Übrigens: Die Völkerstamm- und Stammhirn-Dynamik könnte vielleicht aktuell konkret auch erklären, weshalb Flüchtlinge die Schweiz so schnell wie möglich passieren wollen, um zu ihren Stammesangehörigen im Norden zu gelangen.

  6. Guten Abend Herr Zehnder

    Das Interview, das der Präsident der CVP am 8. Oktober in der NZZ erscheinen liess hat doch einigen Staub aufgewirbelt. Dieser Staub ist insofern gut, als dass er verschiedenen Autoren die Möglichkeit gab und gibt den Standpunkt des CVP- Präsidenten in Schranken zu weisen.

    Ich bin mit Matthias Zehnder im Grossen und Ganzen sehr einig. Was heisst es, wenn G P sagt „es gibt Grenzen der Toleranz“. Ich habe das Wort „Toleranz“ ohne hin aus meinem Wortschatz gestrichen, denn „Toleranz“ kommt aus dem Latein heisst, „dulden“, und das stellt bereits einen qualitativen Unterschied fest. Derjenige, der „toleriert“ wähnt sich vor vorne herein im überhöhten Mittelpunkt. Er behauptet von sich, dass er aus seiner, absoluten, Sicht, auch eine andere Haltung „tolerieren“ könne. Damit setzt der Tolerierende voraus, dass er die Grenzen setze. Dies ist bereits die falsche Grundhaltung. Ich habe deshalb, „Toleranz“ mit „Respekt“ ersetzt. Damit will ich ausdrücken, dass, wenn man sich mit Respekt begegnet, eben die Grenzen des Anstandes, des Nachbarschaftlichen usw. beachtet. „Toleranz“ ist für mich im gegenseitigen Zusammen leben der falsche Denkansatz. Und, Respekt kann grenzenlos sein.

    Noch ein Wort zur christlichen Vorherrschaft in unseren Breitengraden. Darf ich in Erinnerung rufen, dass es Juden viel früher in unserer Geografie gegeben hat, als Christen. Die Juden kamen mit den Römern nach Nordeuropa und haben zum Teil am Rhein ununterbrochen bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhundert gelebt. Dies zum Thema Juden sind Fremde. Weiters möchte ich darauf hinweisen, dass das Gebiet der Schweiz, seit der Vertreibung der Juden aus dem Gebiet der Schweiz im Mittelalter, praktisch „judenfrei“ war, bis Napoleon in der Helvetik den Juden die bürgerlichen Rechte, wie allen anderen Menschen, verlieh. Die Ausnahme bildeten die Judendörfer im Surbtal und einige andere Gemeinden im baslerisch – elsässischen-badischen Grenzgebiet. Selbstverständlich wurden diese Bestimmungen nach dem Wegzug von Napoleon wieder restauriert.

    Ich bin mit Matthias Zehnder zu 100 % einverstanden. Die Schweiz ist kein christliches Land. Ein Land hat keine Religion. Ein Land stellt die Rahmenbedingungen in welcher sich die Gesellschaft, auch die religiöse, zu bewegen hat.

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