Buchtipps Mai 2016
Kursbuch 185: Fremd sein
Buchtipp zum Wochenkommentar vom 6. Mai 2016 Geranien, Minarette, Stacheldraht: Über das Fremde in der Schweiz
Wer sich lange mit etwas Fremden beschäftigt, macht es sich zu eigen. Und wer sich umgekehrt lange mit etwas Eigenem auseinandersetzt, dem wird es fremd. Das erlebt jeder, der ein vertrautes Wort lange genug anschaut: Plötzlich zerfällt es in seine Buchstaben und wird fremd. Mit diesem Paradoxon von Fremd und Eigen beschäftigt sich das Kursbuch 185: Fremd sein. Es fremdelt gewissermassen damit, sich auf die klare Unterscheidung von Eigenem und Fremdem verlassen zu können. Vor allem in Bezug auf Flucht und Migration. Genau das macht das Buch zum perfekten Ausgangspunkt für Reflexionen darüber.
Armin Nassehi, Peter Felixberger (Hg.): Fremd sein. Kursbuch 185. Murmann, 188Seiten, ISBN 978-3-86774-520-8
Was ist Populismus? Ein Essay
Buchtipp zum Wochenkommentar vom 13. Mai 2016 Warum Populisten die Demokratie zu Grabe tragen
Der deutsche Politologe Jan-Werner Müller geht dem Populismus in seinem Buch Was ist Populismus? auf den Grund. In einem theoretischen Kapitel kreist er zunächst mit verschiedenen Definitionsansätzen den Populismus und die Populisten ein. In einem praktischen Kapitel zeigt er, wie populistische Politik heute aussieht. Die Beispiele stammen dabei aus Ungarn und Polen, aber auch aus Ecuador, den USA und der Schweiz. Müller argumentiert sorgfältig und abwägend. Populismus ist für ihn ein Phänomen, das uns dazu zwingt, darüber nachzudenken, was wir von der Demokratie eigentlich erwarten. Sein Buch bietet beste Rohstoffe dafür. Populismus zu definieren und fest zu machen, ist gar nicht so einfach. Die meisten Politiker versuchen, populär zu sein und viele bedienen sich dazu vereinfachender bis anbiedernder Mittel. Jan-Werner Müller: Das entscheidende Kriterium ist vielmehr, dass sich im Diskurs der Populisten ein dezidierter Antipluralismus findet und dass sie sich stets auf das Volk als eine eindeutig moralische Größe beziehen. Als Paradebeispiel dafür nennt Müller einen Schweizer Politiker: Chritoph Blocher.
Jan-Werner Müller: Was ist Populismus? Ein Essay. edition suhrkamp, 160 Seiten ISBN 978-3-518-07522-7
Fünf Deutschland und ein Leben. Erinnerungen
Buchtipp zum Wochenkommentar vom 20. Mai 2016 Geschichte ist nicht Schicksal? Dann lasst uns eingreifen!
Fritz Stern ist 1926 in Breslau geboren und letzte Woche in New York gestorben. 1938 musste er mit seiner Familie vor den Nazis aus Deutschland iehen. Zeit seines Lebens hat ihn eine Frage nicht losgelassen: Wie war das möglich? Wie konnte Deutschland, das Land von Goethe und Beethoven, sich in einen mit bürokratischer E zienz geplanten Massenmord stürzen? Warum el niemand Hitler in den Arm? Wie konnte es so weit kommen? Unter dem Titel Fünf Deutschland und ein Leben hat er seine Erinnerungen publiziert. Fünf Deutschland, das sind die Weimarer Republik, Nazideutschland, BRD und DDR sowie das wiedervereinigte Deutschland. Auch im Buch steht die «deutsche Frage» im Zentrum: Wie war es möglich, dass eine so zivilisierte Nation für das schrecklichste Verbrechen des 20. Jahrhunderts verantwortlich wurde? Und wenn es in Deutschland möglich war – wie lässt sich verhindern, dass es auch anderswo möglich wird? Sein Buch ist eine einzigartige Verbindung von Erinnerung und Geschichtsschreibung und ein grossartiges Plädoyer für den Liberalismus.
Fritz Stern: Fünf Deutschland und ein Leben. Erinnerungen C.H. Beck, 675 Seiten ISBN 978-3-406-55811-5
Wir sind die Stadt! Urbanes Leben in der Digitalmoderne
Buchtipp zum Wochenkommentar vom 27. Mai 2016 Genug der Landwirtschaft: es ist Zeit für «Stadtwirte»
In den letzten Monaten sind gleich mehrere Bücher über die neuen Entwicklungen in den Städten erschienen. Ich empfehle ihnen den schmalen Band von Hanno Rauterberg: Wir sind die Stadt! Urbanes Leben in der Digitalmoderne. Rauterberg schreibt, die Stadt komme zu neuem Leben, weil der öffentliche Raum neu entdeckt werde. Mitten im Hyperindividualismus wächst die Sehnsucht nach kollektiver Erfahrung – und findet in der Stadt ihren Ort. Ein ungewohnter Gemeinschaftsgeist erobert Strassen und Plätze, neue Spielformen des Öffentlichen entstehen. Gegen die Ökonomie der Selbstsüchtigkeit setzt die urbanistische Bewegung einen Pragmatismus der Anteilnahme und des Teilens. In seiner thesenreichen Analyse beleuchtet Hanno Rauterberg, warum gerade die Digitalmoderne eine neue, unvermutete Stadtkultur befördert.
Hanno Rauterberg: Wir sind die Stadt! Urbanes Leben in der Digitalmoderne. Edition suhrkamp, 159 Seiten, ISBN 978-3-518-12674-5