Buchtipps Juni 2016
Die kürzeste Geschichte Europas
Buchtipp zum Wochenkommentar vom 4.6.2016: Aus Europa kann man nicht austreten. Auch England nicht.
Wir sind uns gewohnt, Europa von innen zu betrachten. Aus der Perspektive eines Einwohners ist Europa gross und besteht vor allem aus fremden Kulturen. Dieses Buch erzählt die Geschichte Europas von aussen: John Hirst ist einer der wichtigsten Historiker Australiens. Wenn er seinen Studenten Europa erklärt, dann macht er das mit dem Fernglas in der Hand und übrigens auf gut verständliche Weise und mit viel Humor. Auf diese Weise ist Europa nicht mehr das grosse Fremde, sondern unsere Heimat. Es wird uns bewusst: Von Australien aus gesehen sind wir alle Europäer – und das Schicksal der Schweiz oder Grossbritanniens bleibt mit Europa verknüpft, ob die Bürger das nun wollen oder nicht. Kurz: Eine spannende Lektüre, auch und gerade für Europäer.
John Hirst: Die kürzeste Geschichte Europas. Atlantik, 208 Seiten, ISBN 978-3-455-70003-9
Zuwanderung und Moral
Buchtipp zum Wochenkommentar vom 17.6.2016: Schafft den Schweizerpsalm ab – an der Euro sowieso!
Konrad Ott bringt mit seinem kleinen Buch Zuwanderung und Moral Licht in eine zuweilen verworrene Diskussion. Die Flüchtlingspolitik basiert zwar letztlich auf einem klaren, rechtlichen Rahmen. Vorgelagert sind aber moralische Fragen. Dabei konkurrieren unterschiedliche Moralvorstellungen um die Deutungsmacht. Ott greift für die Diskussion auf Max Webers idealtypische Unterscheidung zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik zurück. Gesinnungsethik vertritt rigoros bestimmte moralische Grundsätze, die Verantwortungsethik ist stärker pragmatisch, abwägend, ausgleichend und folgenorientiert. Ott ordnet die Argumente, macht ihre Wirkung bewusst und bereitet die Argumente auf für Personen, die sich ein Urteil noch bilden wollen. Sie müssen allerdings bereit sein, sich den irritierenden, verstörenden und bestürzenden Konsequenzen beider Seiten auszusetzen. Das Buch bietet keine einfachen Antworten, aber hervorragende Argumente und es schärft das Denken. Was will man mehr.
Konrad Ott: Zuwanderung und Moral. Reclam, 94 Seiten, ISBN 978-3-15-019376-1
Die Flüchtlingskrise. Ursachen, Konflikte, Folgen
Buchtipp zum Wochenkommentar vom 10.6.2016 Machen Sie auch Ferien am Meer der Toten?
Die Flüchtlingskrise ist nun weiss Gott nicht selten in den Medien. Sich aus den vielen einzelnen Beiträgen ein konzises Bild zu machen, ist jedoch erstaunlich schwer. Zu sehr variiert die Optik, zu sehr sind die Medien auf Einzelfälle und Vorfälle fokussiert. Das kleine Buch Die Flüchtlingskrise. Ursachen, Konflikte, Folgen von Stefan Luft schafft Abhilfe. In einem ersten Teil gibt Luft einen Überblick über Migration und Flucht im 21. Jahrhundert, über Motive und Migrationsströme, über Fluchtrouten und Schleuserorganisationen, über die Situation in Syrien, Afghanistan, Irak, den Afrikanischen Staaten, der Ukraine und im Westbalkan. Ein zweiter Teil widmet sich der Migrationspolitik und dem Grenzregime der EU, ein dritter Teil beschäftigt sich mit der Frage der Steuerbarkeit von Zuwanderung und Asylmigration. Es sind nur wenig mehr als 100 Seiten, die gehen dem Problem aber auf den Grund: Stefan Luft erklärt die Ursachen der Flüchtlingskrise, zeigt Lösungswege und erläutert Handlungsoptionen.
Stefan Luft: Die Flüchtlingskrise. Ursachen, Konflikte, Folgen. Beck‘sche Reihe 2857, 128 Seiten, ISBN 978-3-406-69072-3
Verkannte Pioniere
Buchtipp zum Wochenkommentar vom 3.6.2016 Gotthard eröffnet – aber wo bleiben die Visionen?
Wahre Visionäre haben es schwer: Sie werden von Umwelt und Nachwelt verkannt und verspottet. So ist es auch den 22 Erfindern und Pionieren ergangen, die Armin Strohmeyr in seinem Buch Verkannte Pioniere. Erfinder, Abenteurer, Visonäre vorstellt. Er beginnt mit Edward Jenner, dem Erfinder der Pockenschutzimpfung, und Ignaz Semmelweis, dem Entdecker der Asepsis und endet mit Konrad Zuse, der den ersten, frei programmierbaren Rechner baute, und Theodore Maiman, der den Laser entwickelte. Allen 22 Visionären ist gemeinsam, dass sie zwar geniale Denker, Tüftler und Visionäre waren, aber meist keine Geschäftsleute und Juristen. Viele von ihnen scheiterten daran, ihre Erfindungen zu patentieren und zu vermarkten. Sie scheiterten an Kollegen, an der Konkurrenz, an gesellschaftlichen Umständen und sehr oft an der Dummheit der Gesellschaft.
Armin Strohmeyr: Verkannte Pioniere. Erfinder, Abenteurer, Visonäre. Styria Premium, 304 Seiten, ISBN 978-3-222-13507-1